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Rütlischwur

Rütlischwur

Titel: Rütlischwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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Nullen.
    »Ihr Jahressalär«, bemerkte Zimmer emotionslos.
    Judith schüttelte langsam den Kopf, hielt einen Moment inne, und plötzlich – wie jemand, der die Pointe eines Witzes zu spät begriffen hat, begann sie zu lachen. Hell und klar. Eine Reaktion, die offensichtlich keiner der Männer erwartet hatte. Denn weder Hösli, Zimmer noch ihr Chef lachten mit. Auch der vierte Mann, der bisher schweigend hinter einem Laptop gesessen hatte, machte keinen Wank.
    »Okay …«, sagte Judith. Sie fuhr sich mit beiden Händen übers Gesicht und sagte nochmals: »Okay.«
    »Das ist ernst, Judith.« Imholz hatte sich als Erster gefasst. »Sehr ernst.«
    Eine kurze Stille erfasste den Raum.
    Judith faltete den Zettel wieder entlang des Falzes. »Sie nähern sich dem Pferd von der falschen Seite«, sagte sie leise. »Man kann mich nicht kaufen. Aber das wissen Sie längst. Sie haben genug über mich herausgefunden. Ich schlage vor, wir hören auf mit dem Theater.«
    »Von mir aus«, sagte Zimmer.
    Judith war sich nicht sicher, ob der schwarze König lächelte. Er presste kurz die Lippen zusammen, nickte und meinte: »Sagen Sie mir, was Sie wissen wollen.«
    »Alles«, sagte Judith. »Die genannte Summe ist kein Assis­tentengehalt. Ich will wissen, was meine Aufgabe bei Duprey ist … und was dahintersteckt, den kompletten Plan, mit allen Details. Wenn ich es nicht begreife, ist es für mich gestorben. Eine halbe Million hin oder her.«
    »Okay«, sagte Imholz. Er griff nach der schwarzen Ledermappe, die neben seinem Stuhl auf dem Boden stand, und zog ein Dokument heraus. Nach einem prüfenden Blick in die Runde meinte er: »Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem die Sache vertraulich wird.« Er überreichte Judith zwei zusammengeheftete A4-Blätter. »Das ist eine Vertraulichkeitserklärung. Sie verpflichtet dich, über das, was wir dir im Folgenden erzählen werden, zu schweigen. Du wirst mit niemandem darüber sprechen, außer mit den hier anwesenden Personen. Und zwar ungeachtet dessen, ob du den Job annehmen wirst oder nicht.«
    Judith ging das Papier durch. Es war der übliche Text, wie er auch für vertrauliche Projekte der FINMA verwendet wurde. Sie unterschrieb und gab ihn zurück.
    »Also gut, starten wir«, sagte der Mann hinter dem Laptop.
    Ein dunkelhäutiger Hotelpage trat ein und fragte, ob Tee oder Kaffee gewünscht werde. Hösli fluchte in breitestem Zürcher Dialekt. »Wir melden uns schon selbst, wenn was gebraucht wird.«
    Der Page verließ wortlos das Zimmer.
    Hösli seufzte, stand auf und ging langsam zu der mit Knöpfen übersäten Schalttafel an der Wand. »Ich mach’s etwas dunkler.«
    Das Licht reduzierte sich auf ein schummriges Halbdunkel, während sich eine große Leinwand summend von der Decke herabsenkte.
    »Adrian Horlacher ist mein Assistent«, erklärte Zimmer und nickte dem Mann hinter dem Laptop zu. »Er hat eine kurze Präsentation vorbereitet. Eine kleine Ouvertüre sozusagen … bevor wir uns über das weitere Vorgehen unterhalten werden. Adrian, bitte.«

Kapitel 9
    Eine andere Welt
    G leich nach der Auseinandersetzung mit Regierungsrätin Sacher am Montagnachmittag rief Eschenbach seinen Freund Christian Pollack an. Er erzählte ihm von seinem Jobangebot bei Duprey und davon, wie eigenartig und verworren sich die Situation bei der Kantonspolizei zeigte.
    »Ich bin einfach froh, wenn ich mich mit jemanden wie dir beraten kann«, meinte er.
    Sie verabredeten sich für den Abend ins Sterne foifi.
    Christian, der eine erfolgreiche Anwaltskanzlei besaß, war in Zürich auf dem Gebiet Merger & Acquisition eine große Nummer. Er zeigte wenig Verständnis für Eschenbachs Zögern. »Das ist doch die Gelegenheit«, sagte er, noch bevor er sich der Speisekarte widmete. Das Lokal war fast leer an diesem warmen Sommerabend Anfang der Woche. Nur am Nachbartisch saßen unüberhörbar russische Geschäftsleute. Im Hintergrund öffnete der Weinkellner an einem separaten Tisch die erste Flasche des Abends.
    Eschenbach atmete tief durch. Er hatte noch gar nicht realisiert, dass er zurück war. Zu viel war in der kurzen Zeit passiert. Erst gestern war er in Zürich gelandet. Aufmerksam schaute er sich in dem ihm vertrauten Lokal um, musterte seinen Freund. Christian sah besser aus, seit er nicht mehr Kette rauchte. Die weißen Strähnen, die das Alter gebracht hatte, hellten sein gewelltes blondes Haar auf. Seine Augen waren klar und blau. Wäre da nicht die Härte in seinen Gesichtszügen

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