Rütlischwur
sagte John. »Aber eines weiß ich genau: Judith hat niemanden getötet.« Zwei kleine braune Äuglein sahen zu Eschenbach hoch und blinzelten in der Sonne.
»Ist von mir auch ein Bild drin?«
John nickte. »Aber man wird Sie kaum erkennen … So unrasiert, wie Sie sind.«
Eschenbach fuhr sich mit der freien Hand über Wange und Kinn.
»Dreitagebart«, John lachte. »Das kommt sogar hin, in der Nacht auf Samstag hat Judith Sie hierhergebracht.
»Judith?«
»Sie hatten einen schweren Unfall und waren bewusstlos.«
Eschenbach rieb sich den Nacken.
»Finden Sie heraus, was passiert ist.« Johns Stimme war ganz leise geworden: »Ich bitte Sie … Judith ist da in etwas hineingeraten. Sie müssen ihr helfen. In der Zeitung steht, Sie sind einmal Polizist gewesen.«
»Das bin ich immer noch.«
»Ja, schon.« John rieb sich mit beiden Händen die etwas fleischigen Wangen, wie ein Kind, das sich auf ein Geschenk freute. »Sie müssen herausfinden, wie die Dinge wirklich liegen, Herr Kommissar!«
Kapitel 11
Ein kompetitives Geschäft
M ax Hösli nahm den Laserpointer, ging ein paar Schritte in Richtung Leinwand und nickte dem Mann am Laptop zu. Eine Graphik erschien. »Nun, um es gleich vorwegzunehmen … Die Banque Duprey finanziert diesen Saustall. Jedenfalls Teile davon.«
»Vermuten wir«, ergänzte Zimmer.
»Das ist doch Blödsinn«, erwiderte Judith. »Die FINMA kontrolliert jede einzelne Bank im Land.«
Hösli räusperte sich. »Waffenhandel ist nicht verboten. Aber ich merke schon, Sie wissen nicht viel über dieses Geschäft. Das macht nichts … Ist ja auch normal. Wer hat schon einen Waffenhändler in seinem Bekanntenkreis.« Hösli lachte auf.
Ein neues Bild erschien auf der Leinwand.
»Das ist Victor Bout.« Der rote Punkt des Laserpointers landete direkt auf der Stirn des Mannes. »Sieht aus wie ein Staubsaugerverkäufer … ist aber ein ehemaliger sowjetischer Geheimdienstler. Wir haben ihn am 6. März in Thailand dingfest gemacht.«
»Mit wir meint Herr Hösli eine international koordinierte Polizeiaktion«, ergänzte Zimmer trocken. »Die Schweiz unter der Leitung von Herrn Hösli war auch mit von der Partie … Nicht federführend allerdings. Ob Bout je der Prozess gemacht wird, ist übrigens fraglich.« Zimmer kniff die Lippen zusammen und sog Luft durch die Nase. »Im Moment gibt es bei der UNO eine Arbeitsgruppe … Dort diskutiert man nicht zum ersten Mal ein Abkommen, das die strafrechtliche Verfolgung von Zwischenhändlern zulässt. Aber das ist natürlich nur für die Galerie, weil kein Land, das selbst Waffen herstellt, ein solches Gesetz unterzeichnen wird.«
»Ich würde gerne weitermachen.« Hösli sah auf die Uhr und dann zum Mann hinter dem Laptop.
Ein älterer Herr mit kurzen weißen Haaren erschien auf der Leinwand. Er hatte ein volles Gesicht und das Lächeln eines großväterlichen Freundes.
»Jean de Tonquedec, auch ein Zwischenlieferant. Im Gegensatz zur russischen Konkurrenz arbeitet er auch für Regierungen. Waffenhandel ist ja schließlich nicht verboten.« Hösli nickte wieder in Richtung Laptop. »Das Nächste, bitte.«
Eine Weltkarte löste de Tonquedec ab. Auf etwa zwei Dutzend Ländern stapelten sich Jetons wie auf einem Roulettetisch: kleine Türme, die nach einer Weile – und in unterschiedlicher Höhe – zum Stillstand kamen. »Adrian Horlacher ist ein Künstler«, sagte Hösli und nickte dem Mann am Laptop zu. »Er hat diese Graphik animiert: eine Statistik zur weltweiten Produktion von Handfeuerwaffen. Das Spektrum geht von der Pistole bis zur Panzerfaust. Alles, was man so ohne größere Ausbildung bedienen kann. Grob gerechnet, sind 700 Millionen davon im Umlauf. Dazu werden jährlich 14 Milliarden Schuss Munition geliefert – macht zwei Kugeln für jeden auf diesem Planeten. Der größte Teil davon unterhält die Armee- und Polizeibestände, geht in die Privathaushalte oder an paramilitärische Institutionen. Diesen Teil lassen wir weg. Er ist für die folgende Betrachtung nicht von Bedeutung. Weiter, bitte.«
Die nächste Weltkarte, die projiziert wurde, war zuerst grau, bis sich, wie durch einen Pilzbefall, einzelne Regionen langsam rot verfärbten. »Wir kennen derzeit rund dreißig Krisengebiete: von Burma über Südostanatolien, den Irak, Libanon, Afghanistan, Pakistan, Angola, Uganda, Somalia bis in den Jemen, Mali und Niger …« Der Laserpoint reiste von Osten nach Westen und wieder zurück. »Man kann sie kaum alle
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