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Rütlischwur

Rütlischwur

Titel: Rütlischwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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Namen der Dateien: HELIX 1, HELIX 2, CAS­TOR – was für dämliche Codenamen, dachte sie.
    »Warum müsst ihr alles immer verschlüsseln?«, sagte Hösli.
    »Das ist er«, murmelte Horlacher. »Peter Dubach.«
    Auf der Leinwand erschien ein Bild, etwas überbelichtet: Es war ein Mann, frontal fotografiert. Obwohl er schöne, dunkle Augen hatte, war sein Blick seltsam ausdruckslos, fand Judith. Aber vielleicht blickte man so in die Kamera, wenn man von der Polizei oder vom Passbüro fotografiert wurde. Sie schätzte den Mann auf Mitte vierzig; er hatte dunkle Haare, die an den Schläfen etwas ergraut waren.
    »Das wär’s«, sagte der schwarze König. Er bat seinen Assis­tenten um etwas mehr Licht, blickte zu Judith hinüber und meinte: »Jetzt kommen wir zu Ihrer Aufgabe, Frau Bill.«
    * * *
    Bis zum Freitag hatte Eschenbach sich zwölf Seiten Notizen gemacht. Es war die erste Sitzung, die er mit Jakob Banz in dessen Büro im obersten Stock der Banque Duprey abhielt.
    »Und, kommen wir vorwärts?«, fragte der Bankier.
    Auf dem großen Besprechungstisch aus dunkler, geölter Eiche stand ein Korb mit Früchten, daneben Sandwiches von Sprüngli.
    »Es geht«, sagte der Kommissar. »Du hast einen Riesenladen … Aber so langsam beginne ich zu begreifen, wie eine Bank funktioniert.«
    »Ich habe Leute, die wissen das nach zwanzig Jahren noch nicht.«
    Eschenbach widersprach nicht. Es war tatsächlich keine einfache Spezies, mit der er sich gerade herumschlug. Das große Problem dieses Berufsstandes war, so schien es ihm, dass kaum jemand genau wusste, was diese Leute taten.
    Ein Bäcker backt,
    ein Bergsteiger steigt auf die Berge,
    ein Pharmakonzern stellt Medikamente her,
    ein Musiker macht Musik, und
    was in einem Bordell geschieht, wissen auch die, die noch nie dort gewesen sind.
    Aber was tat eine Bank?
    Vielleicht lag es an der Bezeichnung, die einfach nichts hergab; und unter der man sich alles oder eben nichts vorstellen konnte. Dazu kam, dass die Namen der Finanzinstitute an den seltsamsten Orten auftauchten: auf Rennautos, Fußballtrikots und an den Banden von Tennisturnieren. Sie zierten die Programmhefte von Musikfestwochen und stellten sich gönnerhaft in Szene, wenn die besten Leichtathleten um die Wette liefen.
    Man hätte sie leicht für Wohltätigkeitsinstitute halten können, wenn nicht eine gehörige Finanzkrise der ganzen Welt vor Augen geführt hätte, was sie wirklich tun: Banken verdienen Geld, indem sie Risiken eingehen.
    Ein Bäcker verbrennt sich gelegentlich die Hände,
    ein Bergsteiger stürzt ab.
    Und man erwartet keine Nonne, wenn man ins Puff geht.
    Die Gespräche, die Eschenbach mit über zwei Dutzend Angestellten geführt hatte, zeigten folgendes Bild: Im Großen und Ganzen machte er drei Typen von Mitarbeitern aus. Zum einen sind da die Zittrigen . Sie verschanzen sich hinter einem täglich wachsenden Wall von Regeln und Weisungen, erfinden Hunderte von Gründen, weshalb man aufgrund fundierter Risikoerwägungen von jedem Geschäft am besten die Finger lassen soll; sie interpretieren die Tatsache, dass es die Bank nach über 150 Jahren noch gibt, als ihr alleiniges Verdienst.
    Eschenbachs eigene Abteilung bestand ausschließlich aus dieser Gattung Mensch.
    Den zweiten Typus bezeichnete der Kommissar als die Waghalsigen . Sie sind im Vergleich zu den Zittrigen deutlich untervertreten und haben inmitten der größten Finanzkrise seit 1929 einen schwierigen Stand. Dennoch bieten sie einen gewichtigen und lautstarken Gegenpart. Sie kaufen und verkaufen Aktien, Obligationen und Rohstoffe, erfinden, konstruieren und handeln derivative Instrumente und generieren horrende Provi­sionen für sich und entsprechende Gewinne (manchmal auch Verluste) für die Bank.
    Die Waghalsigen und die Zittrigen mögen sich nicht, sie liefern sich einen Dauerstreit, der bisweilen ins Absurde geht. Dabei ist fuck you ein sehr häufig verwendetes Idiom auf der Zankwiese dieser sehr unterschiedlichen Lager; ein Idiom, das die Waghalsigen tatsächlich auch aussprechen, während es die Zittrigen nur denken.
    In einem Punkt aber unterscheiden sich die Waghalsigen keineswegs von ihrem Gegenpart: Auch sie sehen ihr Handeln als den einzigen Grund, weshalb die Bank nach über 150 Jahren überhaupt noch existiert.
    Die dritte Spezies sind die Kundenberater : Sie sind weder das eine noch das andere, sondern schwenken wie ein loser Fensterladen von waghalsig zu zittrig und wieder zurück, je nachdem, ob es an der

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