Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rütlischwur

Rütlischwur

Titel: Rütlischwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
Vom Netzwerk:
Problemen, wie Eschenbach später auf der Webseite des Instituts herausfand.
    »Wir können Sie nicht mit Frau Dubach verbinden«, sagte eine freundliche Dame. »Der Kontakt zu Frau Dubach ist einzig Familienmitgliedern vorbehalten.«
    »Ich bin ihr Bruder«, sagte Eschenbach.
    »Ihr Name?«
    »Hans«, sagte der Kommissar, ohne zu zögern.
    Geräusche einer Tastatur erklangen. »Frau Dubach hat keinen Bruder.«
    Es klackte, und die Leitung war tot.
    »Systema Automatica« , murmelte Eschenbach und blickte hinüber zu den Stichen des alten Zürich, die goldgerahmt an der Wand hingen.
    Das Sanatorium Rosen lag idyllisch am Hang. Ein altes Gebäu­de mit einem Park, in dem knorrige Kastanienbäume melancholisch hinunter auf den Zürichsee blickten.
    Eschenbach zeigte seinen Polizeiausweis. »Ich bitte um ein kurzes Gespräch mit Frau Dubach … im Zusammenhang mit einer Vermisstenmeldung.«
    Die Dame am Empfang nickte. »Dubach, Gisela«, las sie vom Bildschirm, »Abteilung D – das wird schwierig.«
    »Nur kurz«, sagte Eschenbach.
    »Kurz oder lang ist nicht das Problem.«
    »Sondern?« Eschenbach hob den Kopf.
    »Frau Dubach ist in der geschlossenen Abteilung … Aus verständlichen Gründen haben dort nur Familienangehörige Zutritt.
    Eschenbach, dem nicht klar war, ob er die Gründe verstanden hatte, sagte: »Ich bin Polizist … Kriminalpolizei, Zürich. Es geht um den Sohn von Frau Dubach. Ich verspreche Ihnen, dass …«
    »Sie müssen mir nichts versprechen«, sagte die Dame kühl. »Ich bin weder Frau Dubachs Ärztin, noch gehöre ich hier zum Pflegepersonal.«
    »Natürlich«, sagte Eschenbach etwas mürrisch. »Sie befolgen nur die Vorschriften.«
    »Ge-nau«, machte die Frau, nickte bei jeder Silbe und griff zum Telefon. »Heben Sie Ihre Überredungskünste für Frau Dr. Koch auf – sie ist die Ärztin auf Station D.«
    Der Kommissar wartete eine Dreiviertelstunde auf der roten Ledercouch in der Empfangshalle. Er blätterte in ein paar Kunstbüchern und las die Hausbroschüre des Sanatoriums. Als die Ärztin endlich kam, war Eschenbach überrascht. Er hatte einen grauhaarigen Drachen erwartet, stattdessen kam ein blonder Engel: um die Taille Giacometti, mit einem Busen von Rubens.
    »Erzählen Sie mir, was Sie von Frau Dubach wollen?«
    Die junge Frau war auf Zack. Sie drückte nervös auf ihrem Kugelschreiber herum.
    Klick-klack-klick.
    Eschenbach brachte sein Anliegen vor. Während er sprach, fiel sein Blick – einem unbekannten Gravitationsgesetz folgend – immer wieder auf die Stelle, für die der weiße Kittel zwei Nummern zu klein war.
    Es gab sie tatsächlich: Zwangsjacken!
    Gehetzt durch die immer schneller werdende Taktfrequenz des Kugelschreibers, verlor der Kommissar zweimal den Faden.
    Klack. »Aha«, sagte die Ärztin. »Frau Dubach hat uns gesagt, ihr Sohn wäre beim Militär. Wir haben sie gefragt … weil sie diesmal allein gekommen ist.«
    »Diesmal?«
    »Frau Dubach kommt drei- bis sechsmal im Jahr zu uns. Sie leidet an einer seltenen Nervenkrankheit … Mehr kann ich dazu nicht sagen.«
    Klack.
    »Wir behalten sie ein paar Wochen stationär, stellen die Medikamente frisch ein.«
    Klick-klack.
    »Normalerweise stabilisiert sich ihr Zustand, und wir können sie bis auf weiteres wieder entlassen.«
    »Und?«
    »Und.« Klick. »Was?«
    »Wenn Sie normalerweise sagen …« Der Kommissar hob fragend die Schultern.
    »Dann bedeutet das«, klack, »dass sich Frau Dubachs Sohn bei uns meldet und«, klick, »seine Mutter später auch zu Hause weiterhin betreut.«
    Eschenbach wartete auf das Klack, das aber nicht kam. Stattdessen forderte ihn zu seinem Erstaunen die Ärztin auf, mit ihr auf Station D zu kommen. Sie verließen das herrschaftliche Haus und steuerten auf ein zweites, deutlich hässlicheres Gebäude zu. Vielleicht war es ein Segen, dachte der Kommissar, dass die Abteilung geschlossen war und sich keiner der Insassen den schrecklichen Betonbau von außen ansehen musste.
    Vorausgesetzt, dass es drinnen anders aussah.
    Tat es aber nicht: Grauer Novilonboden und graue Wände empfingen sie. An ein paar Stellen hingen Bilder, kleine, kraftlose Aquarelle, die verloren wirkten und der drückenden Um­gebung nicht standhalten konnten. Wer nicht depressiv war, muss­te es hier werden.
    In den Gängen schlurften alte Menschen umher. Einige stützten sich dabei auf Gehhilfen und sahen finster zu Boden. Ein etwas jüngerer Mann um die sechzig kam langsam auf Eschenbach zu. Er stellte

Weitere Kostenlose Bücher