Rütlischwur
Banz.
Das Telefon klingelte.
»Mach nur …«
Banz griff nach dem Hörer und murmelte ein »nur kurz bitte« in die Muschel.
Eschenbach sah sich in der Zwischenzeit den Vertrag an, den ihm der Bankier hingelegt hatte. Es war eine sehr großzügige Vereinbarung, zudem zeitlich begrenzt, genau so, wie es der Kommissar gewünscht hatte. Er unterschrieb.
Als ihm Banz mit der freien Hand signalisierte, er solle fortfahren, machte Eschenbach weiter: »Was die Fluktuation angeht, … kaum Entlassungen, dafür werden immer mehr Leute eingestellt, obwohl im großen Stil Geld abgezogen wird.«
Banz nickte in sein Doppelkinn, sagte zweimal »sehr gut« und legte auf.
Mit »sehr gut« konnte Banz nicht das gemeint haben, was Eschenbach gerade gesagt hatte. Die Assets under Management , das hatte der Kommissar verinnerlicht, waren der Lebensnerv einer Vermögensverwaltungsbank. Eine Bank, die Assets verlor, war eine Bank, die blutete. »Um präzise zu sein«, sagte Eschenbach kühl. »Ich meine nicht, dass eure Assets weniger wert sind, weil es an der Börse gekracht hat … Ich meine cash out .«
»Ich weiß«, sagte Banz.
Eschenbach runzelte die Stirn. Entweder spielte Banz ihm etwas vor, oder es kümmerte den Bankier tatsächlich nicht, dass seine Bank langsam den Bach runterging. »Für mich wäre das beunruhigend, wenn ich fast fünfzig Prozent meiner Vermögenswerte verlieren würde.«
»Es ist die Angst der Leute …« Der Bankier hob die Schultern. »Die Finanzkrise hat sie verunsichert. Dazu kommt, dass Amerika, Deutschland, Frankreich – ich kann die Liste beinahe beliebig erweitern –, dass die aufs Schweizer Bankgeheimnis gewaltig Druck machen.«
Eschenbach wusste wenig über die Angst der Leute, die derartige Summen auf dem Konto hatten. »Nur mal so über den Daumen gepeilt …«, sagte er und sah in seinen Notizen nach. »Rund zehn Milliarden kommen da schon zusammen.«
Banz zuckte nur mit den Schultern. »Hast du schon einmal bemerkt, dass die meisten Leute denken, hundert Millionen wären eine Milliarde?«
»Zehn Milliarden!«
»Bist du jetzt mein Buchhalter?«
Eschenbach kam unweigerlich Kathrin in den Sinn, ihre Ausweichmanöver, wenn er die Französischvokabeln abfragen wollte. Er räusperte sich, sortierte seine Notizen wie ein Tagesschau-S precher vor der Erfindung des Teleprompters. Und wie Léon Huber, bevor er eine wichtige Mitteilung verlas, hob und senkte auch der Kommissar seine Augenbrauen. »Und weißt du, was das Interessanteste daran ist, Jakob?«
An dieser Stelle machte Eschenbach eine kurze Pause, sah ins düstere Gesicht seines Gegenübers, und als Banz nicht einmal mit der Wimper zuckte, sagte er: »Der Abfluss deiner Assets hat bereits zu einer Zeit begonnen, als noch kein Hahn nach dem Bankgeheimnis krähte.«
Eschenbach schob Banz das Blatt zu, auf dem er die Entwicklung der Vermögenswerte über die letzten zehn Jahre skizziert hatte. »Noch drastischer sieht die Sache aus, wenn man bedenkt, dass die meisten Banken ihre Assets über diese Zeitspanne verdoppelt haben. Es kann also weder an der Krise noch an den Amerikanern liegen; denn im Branchendurchschnitt liegt die Banque Duprey …«
»Zum Teufel mit dem Branchendurchschnitt«, raunzte Banz. »Glaubst du, ich kenne meine Zahlen nicht? Und überhaupt …« Banz lockerte den Knoten seiner Krawatte, nahm einen Schluck Wasser aus seinem Glas. Er stellte das Glas wieder hin, und sein Gesicht erhellte sich etwas. Er sah Eschenbach an, überlegte kurz und sagte: »Weißt du, was General Guisan gemacht hat, als im Juli 1940 Frankreich kapitulierte und die Schweiz komplett von den Achsenmächten eingeschlossen war?«
Eschenbach zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht, was Guisan mit deinen Assets zu tun hat …«
»Die Strategie, mein Lieber.«
»Welche Strategie?«
Es klopfte.
Die Lautstärke, mit der Banz »Herein!« bellte, ließ Eschenbach vermuten, dass sich Banz gerade selbst für den Befehlshaber der Schweizer Streitkräfte hielt.
Eine junge Frau streckte den Kopf durch den Türspalt. »Störe ich?« Die Frage galt ausschließlich dem Bankier.
»Dummes Zeug.« Banz winkte sie zu sich. »Wir sind gerade bei Henri Guisan – was wissen Sie über ihn?«
»Ich?« Etwas verwundert über die Frage und den fehlenden Zusammenhang, blieb die Frau auf halbem Weg zwischen Tür und Schreibtisch stehen.
Eschenbach erhob sich.
»Das ist meine neue Assistentin … Ich nehme an, ihr habt euch schon
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