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Rütlischwur

Rütlischwur

Titel: Rütlischwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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Leben!«
    Eschenbach verzog den Mund. Da war es nun, worauf John hinauswollte. »Vielleicht dachte sie, ich gebe ihr später ein Alibi … eine Art Ablasshandel, so wie es in Ihrer Institution üblich ist.«
    John lachte laut heraus.
    Beinahe gleichzeitig traten zwei Personen an den Tisch: eine untersetzte, kräftige Frau mit Föhnfrisur und ein großer, sportlicher Mann, die Hände tief in den Hosentaschen.
    Weil die Sonne den Kommissar blendete, sah er nur die beiden Silhouetten.
    »Eine doppelte Portion geräucherter Lachs aus Norwegen«, begann die Frau mit einer Trompetenstimme. »Ohne Salat … Wie es die Herren gewünscht haben. Und Klosterbrot mit Butter und eine Maissuppe mit Peperoncini – ach ja, und den Löffel bringe ich noch.«
    Die zweite Person hielt sich zurück, wartete, bis die Frau alles aufgetischt hatte, und trat höflich beiseite, als sich die Bedienung mit dem leeren Tablett wieder davonmachte.
    Einen kurzen Moment sah Eschenbach das Profil des Mannes: Er beobachtete, wie dieser kurz Luft holte, bevor er sich dem Tisch zuwandte.
    Eine kräftige Stimme erklang. »Es ist einfach unglaublich!«
    »Um Gottes willen, was?« John ließ die Gabel, die bereits im Lachs steckte, sofort los und sah sich um.
    Aber das »unglaublich« galt nicht ihm.
    »Er meint mich«, sagte Eschenbach kauend.
    »Wer?«
    Eschenbach wischte sich mit der Serviette den Mund ab, deutete zum jungen Mann, der wie eine Statue regungslos in der Sonne stand. »Hock ab!« Er zog einen dritten Stuhl an den Tisch.
    Als nichts geschah, erhob sich Eschenbach und ging auf den Mann zu. Zwei Schritte waren es, mehr nicht. Dann umarmten sich die beiden Männer. Innig. Eschenbach klopfte dem Jüngeren auf die Schulter und wiederholte murmelnd: »Nun setz dich endlich.« Mit Blick auf den Bruder sagte er: »Das ist Bruder John.«
    Claudio sah den Mönch an. »Dann haben Sie mich gestern angerufen?«
    John stand auf, nickte und streckte seine Hand aus.
    Der Kommissar lachte. Es war ein befreiendes Lachen, das tief aus seinem Herzen kam, mit einem Tremolo wie bei einer Bassgeige, wenn man mit dem Bogen kräftig über die Saiten streicht. »Mensch, Claudio, bin ich froh, dass du da bist!« Und an John gerichtet, meinte der Kommissar: »Claudio ist ein Bündner … kommt aus Chur. Das sind alles gute Katholiken dort.«
    Eine Stunde später, nachdem John seine Geschichte auch Claudio erzählt hatte (diesmal ohne Unterbrechungen), brachen Jagmetti und Eschenbach auf. Bruder John lächelte dünn. So wie er dastand, sich mit dem Ärmel seiner Kutte die Stirn tupfte und später winkte, wirkte der Mönch auf eine seltsame Weise kraftlos. Eschenbach schien es, als hätte John alle seine Energie aufgebraucht, um ihn und Jagmetti von der Unschuld Judiths zu überzeugen.
    Auf der Fahrt von Einsiedeln nach Zürich legte der Bündner eine Fahrt hin, die Indianapolis würdig gewesen wäre. Dem Kommissar auf dem Beifahrersitz wurde schwindlig. Er hätte schwören können, dass Jagmetti seinen schwarzen Audi A3 im Kreisel bei Schindellegi nur noch mit zwei Rädern auf der Fahrbahn hielt.
    »Eine ziemlich wilde Geschichte«, sagte Claudio. Er zirkelte den Wagen auf eine schmale Landstraße und bretterte in vollem Karacho los. »Ich meine, ich ruf dich an, du sagst, du kommst gleich … Und dann höre ich fast eine Woche einfach nichts mehr. Kannst du dir vorstellen, was einem da durch den Kopf geht?«
    Eschenbach nickte. Er schielte zur Tachonadel, die zwischen hundert und hundertdreißig hin und her pendelte. »Willst du nicht runter auf die Autobahn?«
    »Wir nehmen eine Abkürzung.«
    Das sanfte Grün der Hügel und die Wiesen, die, herbstlich fett, prächtige Blumen trugen – sie wären eine Augenweide gewesen.
    Wären!
    Der Hüttnersee flog rechts an ihnen vorbei.
    Aber weil Eschenbach die Augen geschlossen hielt, sah er nichts. Auch die Häuser bemerkte er nicht, die ebenso vorbei­sausten wie die kleinen Mäuerchen oder die Pfosten der Gartenzäune. Wenn der Motor aufjaulte, weil Claudio einen Gang tiefer schaltete, dann blinzelte der Kommissar kurz, um zu sehen, ob sie in eine Links- oder Rechtskurve stachen.
    »Ich finde, dein Bart sieht irgendwie schräg aus«, sagte Claudio auf einer langen Geraden.
    Etwas mitgenommen, stemmte sich Eschenbach aus dem Sitz und betrachtete sein Gesicht im Spiegel der Sonnenblende. »Findest du?«
    Anstelle einer Antwort quietschten die Reifen. Ein Traktor mit einer Ladung Heu hatte sich von rechts vor den Audi

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