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Rütlischwur

Rütlischwur

Titel: Rütlischwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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auch das Kuvert mit dem Geld gegeben. Zusammen mit einer Weihnachtskarte, auf der die Pietà von Michelangelo abgebildet war. Jedes Mal.«
    »Und was haben Sie Judith erzählt? Sie hat sich doch bestimmt gewundert, wer für ihre Schulkosten aufkommt.«
    »Wir haben ein Spendenkonto«, sagte John. »Auf dieses Konto hat unser Schatzmeister das Geld verbucht. Im Gegenzug erhielt Judith ihr Schulgeld aus dem Stipendienfonds des Klos­ters … Die rechte Hand gibt, was die Linke bekommt. Eine Art doppelte Buchhaltung oder so. Im Prinzip ist es ganz einfach. Und die Weihnachtskarte habe ich direkt an Judith weitergeleitet.«
    »Und Sie fanden das nicht merkwürdig?«
    »Irgendwie schon«, sagte John und zog die Schultern hoch. »Als ich Ernest fragte, weshalb ihm das so am Herzen liege, da hat er gemeint, dass es auf diese Weise niemanden gäbe, dem Judith zu Dank verpflichtet sei. Ich glaube, das war ihm wichtig … dass es sich um Geld handelt, das keinen Schatten wirft. So hatte er es bezeichnet.«
    »Keinen Schatten und keine Spur.« Eschenbach kamen plötzlich die zehn Milliarden Franken in den Sinn, die bei Duprey verschwunden waren und auch keinen Schatten mehr warfen. »Sie denken also nicht, dass Judith nach Irland zurückgeht?«
    »Aber nein!« Die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen. Viel zu schnell, was nun auch Bruder John bewusst wurde. Er lächelte. »Judith ist in Schwierigkeiten, ich weiß. Aber ans Messer liefern werde ich sie deshalb nicht.«
    »Sie steht unter Mordverdacht.« Eschenbach schwang sich von der Tischkante, ging ein paar Schritte in Richtung Ausgang und sagte: »Dann werde ich mir mal für das Kloster hier einen Durchsuchungsbeschluss besorgen.«
    Eschenbach hatte sich auf dünnes Eis gewagt. Genauso gut hätte er androhen können, dass er als Nächstes mit den Elefanten des Zirkus Knie vorbeikommen würde.
    »Das dürfen Sie nicht!«
    Aber es funktionierte.
    Eschenbach hörte Johns Schritte. Er biss sich auf die Unterlippe und fuhr fort: »Es bleibt mir beim besten Willen nichts anderes übrig.«
    »Um Gottes willen – nein, nein!«
    »Um Gottes willen – aber ja!«
    Es war Laientheater auf hohem Niveau.
    Der Kommissar, der noch zwei energische Schritte nach vorne gemacht hatte, blieb stehen und drehte sich auf dem Absatz um. John, der bis auf einen halben Meter aufgerückt war, zuckte zusammen.
    Wie zwei Eichen, umgeben von Gewitterwolken, standen die Männer da und musterten sich: finster der eine, sorgenvoll blickend der andere.
    »Dann lassen Sie mich zu Judith.«
    »Nur, wenn ich dabei sein darf.«
    »Das müssen Sie wohl«, sagte Eschenbach. »Ich weiß ja nicht, wo ich sie finde.«
    »Nicht so, meine ich.«
    »Sondern?«
    »Dabei sein, wenn Sie ermitteln. Als Ihr Deputy – so sagt man doch bei der Kriminalpolizei, oder?«
    »Assistent ist besser.«
    »Assistent Lieutenant … Mir ist jeder Titel recht.«
    Eschenbach, dem wieder die Elefanten vom Zirkus Knie in den Sinn kamen, blickte zur Decke, ließ ein paar Sekunden verstreichen und sagte dann, breit und langgezogen: »Okaaay.«
    »Yess!« John machte eine ungelenke Bewegung mit der Faust. »Zusammen werden wir den Fall lösen.«
    Eschenbach hätte am liebsten laut herausgelacht. Zu drollig erschien ihm das Bild des kleinen, korpulenten Mannes, der plötzlich, gepackt von Abenteuerlust und blindem Eifer, ganz gisplig wurde.
    »Also gut, fangen wir an.« Eschenbach war nun bereit, das Ganze auf die Spitze zu treiben. »Als Erstes benötigen wir eine Einsatzzentrale.«
    »Haben Sie denn kein Büro?«
    »Doch, doch … Aber wir brauchen einen Außenposten. Eine Feldzentrale sozusagen. Schließlich planen wir eine undercover investigation .«
    »Ach wirklich?«
    Das Niveau des Laientheaters drohte in den Keller zu rutschen.
    »Zum Beispiel der Ort hier, das wäre ideal.« Der Kommissar deutete auf das Pult mit den Bücherkisten. »Telefon, Fax, Computer … Es ist alles da.«
    »Tempestas surgit!« * John tupfte sich mit dem Ärmel seiner Kutte den Schweiß von der Stirn.
    »Es ist ja nur vorübergehend.«
    »Also gut. Aber ich werde mit Bruder Pachomius sprechen müssen. Es ist nämlich sein Büro.«
    Auch das noch, dachte Eschenbach.
    John eilte trippelnd zur Tür. »Ich habe Judith in ihrem alten Internatszimmer in der Stiftsschule untergebracht. Es war zufälligerweise gerade frei. Bitte folgen Sie mir!«
    * Es ist so geschehen, wie ich es dargelegt habe.
    * Die Stolze will keinen Herrn.
    * Ein Sturm kommt

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