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Rütlischwur

Rütlischwur

Titel: Rütlischwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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der Vergangenheit, von dem Banz immer wieder gesprochen hat, dann war es diese Sache mit Guisan und dem Rütli. Die Bedrohung durch die Achsenmächte und so weiter.«
    »Na also«, brummte Lenz zufrieden.
    »Ich finde diese Geschichte ziemlich weit hergeholt … und es gab Dinge, über die ich mit ihm viel lieber gesprochen hätte. Warum seine Ehe mit Anne-Christine in die Brüche ging, zum Beispiel, und wie es zu diesem tragischen Unfall in Irland gekommen ist. Auch hatten wir gemeinsame Erlebnisse aus der Schulzeit. Normalerweise spricht man doch über das, was man erlebt hat.«
    »Außer man ist Prophet«, sagte Lenz, der gerade den Geschäftsbericht der Bank Duprey aufgeschlagen hatte.
    »Blödsinn. Banz war Lebemann, kein Prophet. Zudem mein Jahrgang. Er hatte überhaupt keinen Bezug zur Schweiz während der Zeit des Aktivdienstes.«
    »Hast du dir einmal den Verwaltungsrat von Duprey angesehen?«, fragte Lenz.
    »Der übliche Filz«, sagte Eschenbach. »Finanz und Industrie, ein Schuss Militär … das Ganze noch abgerundet mit der üblichen Sauce zürcherischen Freisinns.«
    Lenz konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. »Nicht ganz korrekt«, sagte er. »Das stimmt für Amrhein, Banz und Wal­ther – die übrigens alle ungefähr gleich alt sind. Aber dieser Ernest Bill fällt aus dem Rahmen: Der ist am 25. Juli 1930 geboren.«
    »Rund fünfundzwanzig Jahre älter als die andern«, rechnete Eschenbach laut.
    »Nicht nur.«
    »Sondern?«
    »Nach dem, was wir heute wissen, hat General Guisan an einem 25. Juli seine Hauptleute aufs Rütli zitiert.«
    »Das war 1940«, warf Eschenbach ein. »Da war dieser Ernest gerade einmal zehn Jahre alt.«
    »Mit zehn sucht man sich zum ersten Mal seine Helden aus«, bemerkte Lenz.

Kapitel 25
    An was denken Sie denn, Claudio?
    I ch hab gehört, dass Sie da sind.«
    »Ach Sie«, sagte Bruder John, der tief in Gedanken versunken aus dem Hauptportal des Gefängnis Zürich ins Freie getreten war. Er hob seinen Kopf und betrachtete sein Gegenüber. »Sie sind der Claudio.«
    Jagmetti nickte.
    »Die Claudier waren ein berühmtes römisches Geschlecht, das wissen Sie bestimmt.«
    Jagmetti nickte zuerst, dann schüttelte er den Kopf.
    »Wie geht’s dem Chef?«
    John wusste einen Moment nicht, was er antworten sollte.
    »Ich meine, Sie sind doch sein Assistent.«
    John lächelte. »Ach so, ja … der Kommissar. Also der ist bei seinem Freund.«
    »Freund?« Jagmetti zog die Brauen kraus. »Kenne ich den?«
    »Das müssen Sie schon selbst wissen.«
    »Wie sieht er denn aus?«
    »Ein feiner Mensch, elegant … ein älterer Herr in einem hellen Sommeranzug.«
    »Und hat bestimmt einen Namen.«
    John lachte. »Ja, einen kurzen … aber an den kann ich mich leider nicht erinnern.«
    »Der Chef kennt keine eleganten älteren Herren.«
    »Sie sind zu ihm nach Hause gefahren, in eine Mühle, glaube ich …«
    »Lenz!«, rief Jagmetti laut aus.
    »Sehen Sie, jetzt haben Sie doch gewonnen.« John klatschte in die Hände. »Es ist wie im Radio … Dort gibt es diese Sendung ›Schweizermeister‹, die höre ich manchmal. Der Moderator will von den Leuten etwas über ihren Heimatkanton wissen, und dann kommt später noch eine Frage zu einem Kanton, den sie frei wählen dürfen. Und da ist mir aufgefallen …«
    »Dass die Leute über das Heimische weniger wissen als über das Fremde.«
    John überlegte.
    »Entschuldigen Sie, ich habe Sie unterbrochen.«
    Der Bruder schüttelte den Kopf. »Nein, nein … Was Sie gesagt haben, ist hochinteressant. Das Problem ist nur, dass der Moderator die zweite Frage gar nie stellt, wenn man die erste nicht beantworten kann. Das habe ich gemeint vorhin. Die haben sich wirklich etwas gedacht, dort beim Radio.«
    »Aber das ist doch logisch.«
    »Ja, im tiefsten Sinne des Wortes«, sagte John.
    Dem Bruder waren die Schatten in Jagmettis Gesicht nicht entgangen. Die dunklen Augen des Polizisten blickten finster hinaus in die Welt, so als hätten sie etwas Schreckliches gesehen; ein Leid, das den Jungen in seinem tiefsten Innern erschüttert hatte. Und mit der kleinen Radiogeschichte, die sich John hatte einfallen lassen, war es ihm nicht gelungen, diesen düsteren Blick zu erhellen.
    Sie gingen ein paar Schritte zum Auto, das Jagmetti halb auf dem Gehsteig und halb auf der Straße parkiert hatte.
    »Ich kann Sie ins Kloster fahren, wenn Sie wollen.«
    John nahm dankend an und stieg ein.
    Jagmetti startete den Motor.
    Den halben Weg bis nach Einsiedeln

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