Ruf der Daemmerung
werden müssen, weil Ainné Gewicht verloren hatte. Sie rückte ihren Schwangerschaftspfunden mit einer eisernen Diät zuleibe, was natürlich zur Folge hatte, dass auch die anderen Mitglieder des Haushalts keine regelmäßigen Mahlzeiten bekamen. Viola kochte zwar immer mal wieder, aber Ainné gab ihr deutlich zu verstehen, dass jede Versuchung unerwünscht war. Bill und Viola verpflegten sich also mit Sandwiches, Alan hungerte aus Solidarität mit seiner Frau.
»Ich wünschte vor allem, sie würde nicht jeden Tag zehn Stunden reiten«, fügte Shawna ebenso unwillig hinzu. Sie war zurzeit sehr schlecht auf Ainné zu sprechen. »Anscheinend meint sie, dadurch abzunehmen, aber vor allem verliert Gracie Pfunde. Und gelahmt hat sie auch schon zweimal! Es ist der reine Wahnsinn: Sechs Monate wurde gar nicht geritten, aber auf einmal soll das arme Pferd Leistungssport betreiben.«
Dazu plante Bill, zwei seiner Ponys vor eine Hochzeitskutsche zu spannen, und hatte sich auch schon eine ausgeliehen. Das Geschirr passte den Pferden allerdings nicht sonderlich und die Kutsche war eigentlich auch zu schwer für das kleine Gespann. Shawna trieb so etwas zum Wahnsinn und Viola dachte manchmal nervös an die Kelpies. Ob sich Lahia und Ahlaya auch anspannen lassen würden, um bacha zu erjagen?
Auf jeden Fall war nicht daran zu denken, dass Violas Vater oder sonst jemand zum Flughafen fuhr, um Katja abzuholen. Viola gab ihrer Freundin das zu bedenken, aber Katja reagierte unbekümmert. »Egal, dann nehme ich eben den Bus. Mein Englisch ist zwar nicht perfekt, aber für den Fahrplan wird's schon reichen. Wie heißt euer Kaff noch mal? Steht es auf irgendeiner Landkarte?«
»Deine Freundin ist echt mutig!«, meinte Shawna, als Viola ihr Bericht erstattete. »Also ganz allein vom Airport nach Dublin - gut, das geht ja noch mit dem Zubringerbus. Aber dann zum Busbahnhof und nach Roundwood ... Willst du sie nicht wenigstens in Dublin abholen, Vio? Okay, du müsstest die Schule schwänzen, aber ich erzähle was von Virusinfektion. Schlecht genug siehst du sowieso aus ... Du solltest wirklich mal zum Arzt gehen. Jedenfalls kann es nicht nur daran liegen, dass Ainné nicht kocht. Ich meine ... sie ist doch sonst auch nicht die Hausfrau des Jahres ...«
Viola hatte versucht, ihren Gewichtsverlust mit dem aktuellen Diätwahn bei den McNamaras zu erklären.
Ahi schloss sich an, als Viola nach Dublin fuhr. Ihr Einwand, dies würde auffallen, stieß auf taube Ohren. »Sollen sie doch denken, was sie wollen. Vielleicht sind wir ja beide krank. Ich hab dich angesteckt oder du mich ... Aber ich will bei dir sein ...«
»Du verpasst das Training vor dem großen Spiel nächste Woche«, wandte Viola weiter ein. Ausgerechnet an Ainnés Hochzeitstag fand ein entscheidendes Spiel statt: Roundwood stellte sich dem amtierenden irischen Meister, einem Team aus Killarney. Viola würde es wahrscheinlich nicht schaffen, zum Zuschauen zu kommen, und Ahi wollte am liebsten gar nicht teilnehmen.
Das hatte sie ihm allerdings ausgeredet. Die Schulmeisterschaften funktionierten nach dem Knock-out-Verfahren: Wenn Roundwood verlor, war die Schule aus dem Rennen. Und ohne Ahi hatten Mike und seine Leute keine Chance.
Jetzt zuckte er die Achseln. »Ach, Vio, ob ich trainiere oder nicht, ist sowieso gleich. Egal wie viel der Trainer von Strategie spricht: Im Grunde muss ich alles allein machen. Und es obendrein so aussehen lassen, als ob Mike auch mal ein Tor schießt. Von Hank gar nicht zu reden. Auf jeden Fall komme ich mit dir nach Dublin, keine Widerrede!«
Der Donnerstag war dann ein relativ klarer Tag und Viola und Ahi genossen ihre gemeinsame Freiheit. Sie hatten Zeit für einen Spaziergang, bevor sie den Bus nehmen mussten, schließlich würde Katja erst gegen Mittag in Dublin sein. So schlenderten sie am See entlang, suchten das Ufer spielerisch nach einem Amethysten für Katja ab und Viola erzählte von ihrer lebenslangen Freundschaft. Ahi kannte aus seiner Kindheit nichts Vergleichbares. Die Kelpies lebten in Familienverbänden, gewöhnlich nur einer in einem Gewässer. Gelegentlich stießen zwar neue Mitglieder dazu, wenn sich irgendwo eine Gemeinschaft auflöste, weil die Gruppe zu klein oder der See aufgegeben wurde - Letzteres meist aufgrund extremen Tourismusaufkommens, das den Gesang der Kelpies störte und das Auftauchen wilder Ponys am Seeufer unwahrscheinlich machte. Aber dann dauerte es lange - Vio nahm an, dass Ahi von
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