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Ruf der Drachen (German Edition)

Ruf der Drachen (German Edition)

Titel: Ruf der Drachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yalda Lewin
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Erklärung so einfach, dass man sie tatsächlich glatt übersehen könnte: Der Schöpfer der Wasserspeier muss mit dem Orgelbau zu tun haben. Denn die Orgelpfeifen im Dom sind aus dem gleichen Material wie die Drachenköpfe der Speier. Eine Legierung aus Zinn und Blei.«
    Maren runzelte die Stirn. »Woher weißt du, dass es das gleiche Material ist?«
    Ich schluckte kurz. Wie konnte ich ihr erklären, dass ich es wahrgenommen hatte, als ich die Speier und die Orgelpfeifen berührte?
    »Es ist ein Gefühl.«
    »Ein Gefühl?« Maren verzog die Mundwinkel. »Nicht sehr überzeugend, oder?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Glaub mir, ich habe recht. Du kannst dich darauf verlassen.«
    »Wieso bist du dir so sicher?«
    Ich horchte auf, denn Marens Stimme hatte einen merkwürdig schneidenden Unterton bekommen, den ich so noch nie bei ihr gehört hatte.
    »Glaub mir einfach, in Ordnung? Es ist alles okay.«
    »Aha.«
    Marens Blick wurde so kühl, dass ich fast erschrak. Doch ich unterließ es, mehr über meine sensiblen Wahrnehmungen zu verraten. Ganz einfach, weil ich es gewohnt war, gewisse Dinge für mich zu behalten. Und weil mir irgendetwas an der Atmosphäre, die sich gerade im Zimmer entspann, überhaupt nicht gefiel.
    Maren nickte stumm, dann ging ein leichter Ruck durch sie hindurch und ihr Blick glitt zum Notenpapier zurück, das ich noch immer in der Hand hielt.
    »Also gut«, sagte sie und es wirkte, als würde sie mit einem bewusst heiteren Tonfall die Anspannung lösen wollen, die sich ganz plötzlich wie eine durchsichtige Haut zwischen uns gelegt hatte. »Dann lass uns mal überlegen, was es mit diesen Rhythmen auf sich haben könnte.«
    »Was hast du vor?«, fragte ich. Der plötzliche Wechsel machte mich eher misstrauisch, als dass er mich beruhigte.
    »Wofür sind wir Musiker? Setz dich!«, sagte sie, nahm auf dem Klavierhocker Platz und deutete neben sich.
    Ich ließ mich zögernd darauf sinken.
    »Kannst du Klavier spielen?«, fragte sie.
    »Nur das bisschen, was man braucht, um auf der Musikhochschule für Klarinette im Hauptfach zugelassen zu werden«, entgegnete ich. »Piano-Man bin ich nicht gerade.«
    Maren verzog leicht die Mundwinkel. »Na, für die paar Rhythmen wird es reichen.« Dann stellte sie das Notenblatt vor uns auf. »Ich übernehme die komplizierten Stimmen, du nur die eine mit dem gleichmäßigen Rhythmus, okay?«
    Ich nickte. »In Ordnung.«
    Maren zählte vier Takte vor, dann begannen wir zu spielen, jeden Rhythmus immer nur auf einem einzigen Ton. Es klang so scheußlich, dass wir schon nach wenigen Sekunden wieder abbrachen.
    Maren prustete los und schüttelte den Kopf. »Okay, noch mal. Versuchen wir es im Terzabstand, das müsste funktionieren.«
    Doch dieses Mal war es nicht besser. Auch wenn die Tonabstände nun nicht mehr schräg klangen, die Rhythmen passten einfach hinten und vorne nicht zusammen.
    »Gut, damit dürfte klar sein, dass die Rhythmen nicht gleichzeitig funktionieren«, sagte ich ein wenig enttäuscht, während der letzte Ton verklang.
    Maren trommelte mit den Fingern der rechten Hand auf den Klaviertasten herum, ohne den Blick vom Notenpapier abzuwenden. Schließlich wandte sie den Kopf. In ihren Augen blitzte es.
    »Und wenn man sie nacheinander spielt?«
    Ich nickte stumm. Einen Versuch war es wert.
    Dann tippte ich auf das Notenblatt. »Hier, das war der Wasserspeier, den ich zuerst entdeckt habe. Ich nehme an, dass bei ihm auch die Botschaft beginnt. Was wir sicher wissen, ist, dass der Rhythmus des Wasserspeiers in deinem Innenhof direkt zum Delfinbrunnen im Volkspark Friedrichshain führt. Diese beiden Teile stehen also auf jeden Fall miteinander in Verbindung.«
    Wir versuchten es erneut, dieses Mal nacheinander, doch auch jetzt schienen die Rhythmen einfach nichts miteinander zu tun zu haben.
    Ich brach frustriert ab.
    »Ganz ehrlich? Das klingt schauderhaft.«
    Maren nickte wortlos, stand auf und ging zum Fenster. Ihr blasses Gesicht spiegelte sich in der Scheibe und hob sich deutlich von dem Herbstdunkel ab, das sich inzwischen draußen über die Stadt gelegt hatte.
    Ein Gedanke ging mir durch den Kopf. Er war ein wenig verrückt, aber inzwischen war ich ohnehin der Meinung, dass diese ganze Suche der pure Irrsinn war.
    »Maren? Was, wenn es ein Code ist? Morsezeichen oder etwas in der Art?«
    Maren drehte sich um und schüttelte heftig den Kopf.
    »Nein, das kann ich ausschließen. Morsezeichen sind das auf keinen Fall«, antwortete sie wie aus der

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