Ruf der Drachen (German Edition)
verhandeln wir, ob es bei Küssen bleiben sollte.«
»Klingt gut.«
Ich schlang die Hand um ihren Nacken und zog sie zu mir herunter, doch Maren löste sich resolut von mir.
»Nichts da! Erst die Infos!«
Ich seufzte. »Du solltest zum Geheimdienst gehen, hast du darüber schon mal nachgedacht? Der Tonfall stimmt zumindest. Okay, wo fange ich an …?«
Ich machte eine kurze Pause, um meine Gedanken zu sammeln, bevor ich weitersprach.
»Es war ein wenig unheimlich, um ehrlich zu sein.«
Maren richtete sich auf. Ihr Blick wurde wachsam. »Wieso? Was ist passiert?«
»Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, beobachtet zu werden. Jemand hat mich verfolgt.«
Und dann erzählte ich ihr von der Begegnung mit dem seltsamen Mann, von meiner Untersuchung des Wasserspeiers am Märchenbrunnen, der mich zum Jüdischen Friedhof geführt hatte, und schließlich von der Flucht meines Beobachters, als ich letztendlich auf ihn zugegangen war. Die Episode mit Rabbi Heim ließ ich aus.
Maren runzelte die Stirn.
»Das klingt wirklich merkwürdig«, sagte sie schließlich. »Und du hast den Mann ganz sicher noch nie zuvor gesehen?«
Ich verneinte.
»Keine Ahnung, wieso der immer genau wusste, wo ich mich aufhalte. Er konnte doch nicht ahnen, dass ich am Jüdischen Friedhof im Prenzlauer Berg rauskommen würde, oder?«
»Außer der Gang ist ihm bekannt«, entgegnete Maren. »Aber eins ist auf jeden Fall sicher.«
»Was meinst du?«
Ihr Blick wurde so ernst, dass ich ihm kaum standhalten konnte.
»Ich habe ja keine Ahnung, in was du da hineingeraten bist, aber es sieht so aus, als wären die Wasserspeier auch für andere interessant.«
Sie deutete auf das Notenblatt, das ich aus der Tasche gezogen und achtlos neben die Matratze geworfen hatte. Unsere Abmachung, jede Information mit mindestens einem Kuss zu entgelten, schien sie vergessen zu haben.
»Hast du neue rhythmische Strukturen gefunden?«
Ich reichte ihr das Blatt. »Ja, allerdings. Und es ist wirklich interessant. Sie sind ganz anders als die bisherigen.«
Dann berichtete ich von den Speiern, die ich abgegangen war, und zuletzt von meinem Besuch im Berliner Dom, in dem alle Strahlen der Sonne zusammenführten.
Maren knabberte an ihrem Daumennagel, während sie die neuen Rhythmen musterte.
»Der Dom? Ausgerechnet.«
Dann, ganz plötzlich, zog sie scharf den Atem ein.
»Du meine Güte! Warum ist mir das nicht früher aufgefallen?«
»Was denn?«
Maren starrte mich an. »Die Sonne! Das Symbol! Ich war mir die ganze Zeit sicher, dass ich es schon einmal irgendwo gesehen habe. Und jetzt weiß ich es wieder!«
Sie sprang auf und hastete zu ihrem Bücherregal hinüber. Dort zog sie einen Band eines Musiklexikons heraus, wuchtete das dicke Buch auf ihren Schreibtisch und begann aufgeregt darin zu blättern. Ich rappelte mich hoch und stellte mich neben sie.
»Ha! Da ist es!«
Maren deutete auf eine Seite und ich spürte, wie mein Herzschlag sich beschleunigte.
»Tatsächlich, das Sonnensymbol! Es kommt aus der Musikgeschichte? Womit hat es zu tun?«
Maren tippte auf den zur Zeichnung gehörenden Artikel.
»Musikgeschichte im weitesten Sinn. Die achtstrahlige Sonne war über einen gewissen Zeitraum das Erkennungsmerkmal einer geheimen Gesellschaft von Musikinstrumentenbauern. Vor allem im Bereich Klavier- und Orgelbau wurde es verwendet, wie ein inoffizielles Siegel, aber es findet sich auch an einigen Geigen und Bratschen, wenn man danach sucht – und natürlich das außerordentliche Glück hat, eines dieser seltenen markierten Instrumente zu finden.«
Ich realisierte am Rande, wie Marens Handfläche sanft über den schwarzen Lack ihres alten Flügels strich, hielt das aber für eine zufällige Geste. In meinen Gedanken überschlugen sich gerade ganz andere Fragen.
»Aber wieso befindet sich das Symbol dann auf Wasserspeiern und führt wie bei einer Schnitzeljagd quer durch Berlin?«
Maren zuckte mit den Schultern.
»Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass es schon lange nicht mehr verwendet wird. Zumindest nicht offiziell. Ob es heute noch Handwerker gibt, die die Sonne als geheimes Zeichen nutzen, wäre wirklich einmal interessant zu erfahren.«
Ich starrte grübelnd aus dem Fenster. Diese neue Entdeckung war eher irritierend, als dass sie weiterhalf. Oder doch nicht?
Ein Gedanke durchzuckte mich und ich lachte leise auf.
Maren blinzelte irritiert. »Was ist so lustig?«
Ich grinste sie an. »Vielleicht irre ich mich, aber wenn nicht, dann ist die
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