Ruf der Dunkelheit
mir. „Jahrzehnte lang habe ich mich nach dir verzehrt – jede Sekunde gezählt … und jetzt bist du wirklich hier – bei mir.“
Ich hob sacht einen Arm und legte ihn sanft um ihren zierlichen, wohlgeformten Körper. „Ja“, hörte ich mich flüstern, „jetzt bin ich bei dir.“
Plötzlich begann sich das Zimmer um mich herum zu drehen. Alles vor meinen Augen verblasste, löste sich im Nichts auf und ich wurde hinausgeschleudert, aus dem fremden Verstand, in den ich getaucht war. Wieder rauschten verzerrte Bilder an mir vorbei, immer schneller und schneller. Bis ich plötzlich mit dem Kopf aufschlug und von dem Farbspektakel nichts als Dunkelheit zurück blieb.
„Tamara!“ Mein Name hallte durch meinen Kopf, doch die Stimme schien von weit her zu kommen. Und wieder. „Tamara!“
Kalte Hände begannen an mir zu rütteln, doch ich schaffte es nicht, die Augen zu öffnen, um zu sehen, wer da an mir zerrte. Plötzlich vernahm ich ein klatschendes Geräusch und ein warmes Brennen breitete sich auf meinen Wangen aus. Der Nebel in meinem Verstand schien sich langsam zu lichten. Wieder fuhr ein Rütteln durch meinen Körper und ich zwang mich dazu, meine schweren Lider zu heben, um endlich zu wissen, was da vor sich ging.
Über mir erschien ein sorgenvolles Gesicht – Olivia! Ruckartig fuhr ich in die Senkrechte und setzte mich auf. Es fühlte sich an, als ob wieder Leben in meine steifen Glieder zurückkehrte und ich wieder vollständig Besitz über meinen Körper erlangte. „Tamara! Oh Gott sei Dank!“, stieß Olivia erleichtert aus und ließ sich rückwärts neben mich fallen. Und da kehrten sie schlagartig zurück in meinen Kopf - die Bilder, die ich gesehen hatte!
Die Vision hatte nicht allzu lange gedauert, wahrscheinlich war es Olivia nicht länger möglich gewesen, den Bann zu durchbrechen, doch es hatte für mich gereicht, um zu sehen, wer hinter all dem steckte. Und mit dieser unheilvollen Erinnerung, stieg ein extrem mulmiges Gefühl in mir auf. Ein eiskalter Kloß saß in meiner Magengrube und erschwerte mir das Atmen.
Ich hatte durch Max´ Augen hindurch gesehen – daran bestand kein Zweifel! Stumm suchte ich Olivias Blick. Ihre Augen glänzten feucht und der Schein der Kerzen, die schon ein ganzes Stück herunter gebrannt waren, spiegelte sich darin. „Ich habe es auch gesehen“, sagte sie nur und ihre Stimme wurde von einem heiseren Kratzen begleitet. Ich wandte den Kopf und blickte zu Val und Julian, die die ganze Szene aufmerksam und mit sorgenvollen Gesichtern beobachteten. Julian sah man an, dass er am liebsten zu mir gerannt wäre, doch der Schutzkreis, der uns noch immer einhüllte, hinderte ihn daran.
„Was … was sollen wir jetzt machen … Valentina wird … das wird sie niemals verkraften …“, flüsterte ich und Olivia nickte zustimmend. „Ich würde ihr an deiner Stelle vorerst nichts davon erzählen. Sie ist momentan zu emotional, um einen Kühlen Kopf zu bewahren – ehrlich gesagt, habe ich Angst, dass sie dann etwas Unüberlegtes unternimmt und sich und uns damit nur in Gefahr bringt. Wir sollten zuerst mit Julian reden.“
Ich nickte zustimmend. Sie hatte recht, wahrscheinlich würde Valentina in ihrer derzeitigen Verfassung zusammenbrechen, wenn sie erfuhr, wo und vor allem bei wem Max sich aufhielt. Und dann war da auch noch die Tatsache, dass ich die beiden so vertraut zusammen gesehen hatte. Ich erschauderte innerlich. Das bedeutete nichts Gutes!
Olivia begann den magischen Kreis aufzuheben und murmelte ein paar letzte, beschwörende Worte, als mit einem kurzen Zischen, alle Kerzen erloschen. Wir erhoben uns und augenblicklich stürmte Valentina auf uns zu. Dass ich sie nun so belügen musste, behagte mir überhaupt nicht. Doch ich ermahnte mich, dass es nur zu ihrem Besten war.
„Und?! Was habt ihr …“ ihr Blick fiel auf mich und das erste Mal seit Tagen, sah sie mir in die Augen, „was hast du gesehen?“ Ihre Stimme überschlug sich fast und sie trippelte ungeduldig von einem Bein auf´s andere. Ich atmete schwer ein und stieß seufzend Luft aus. „Ich … es tut mir leid, aber … die Bilder waren einfach zu verschwommen, zu vage …“
„Was?!“, fiel sie mir ins Wort. „Ihr macht diesen ganzen Zinnober, seid Stunden unterwegs, um auch ja die richtigen Zutaten für diesen Zauber zu bekommen und dann ist alles was ich von dir zu hören bekomme, dass du verschwommen gesehen hast?!“ Schrill hallten ihre Worte in meinen Ohren, während
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