Ruf der Dunkelheit
mich dagegen und presste die Lippen aufeinander. Eigentlich konnte mir das auch egal sein, mein Plan stand fest – in ein paar Minuten würde sie im Kofferraum des Mietwagens liegen.
Unsere Schritte waren das einzige Geräusch, das die Stille in der Tiefgarage durchbrach. „Hier steht er!“ Olivias Blick war geradeaus auf ein viertüriges, schwarzes Coupe gerichtet. Automatisch schlossen sich meine Finger fester um den klobigen Schlüssel in meiner Hand. Ich drückte auf den Knopf und das Klacken der Zentralverriegelung ertönte. Olivia stellte ihren Koffer am Heck des Wagens ab und wandte sich zu mir um. „Du fährst und ich weise dir den Weg“, erklärte sie und riss die Beifahrertür auf. Ein Rucken ging durch meinen Körper, als ich meine Chance witterte und nach vorne schoss. Im Bruchteil einer Sekunde griff ich in ihren Haarschopf, riss ihren Kopf nach hinten und stieß ein heiseres Raunen aus. „Du fährst nirgendwo hin!“ Ich spürte das furchtvolle Vibrieren, das ihre Muskeln durch den Körper schickten. „Julian…“, keuchte sie, gefolgt von einem dumpfen Schlag, als ich ihren Kopf gegen die Karosserie des Wagens knallte. Sofort sackte sie kraftlos zusammen und die Haut an ihrer Stirn platzte auf. Blut sickerte aus der klaffenden Wunde. Doch das Prickeln, das es auf meiner Zunge hinterließ, ignorierte ich.
Hastig hob ich sie hoch, öffnete die Heckklappe und schob ihren leblosen Körper in den Kofferraum. Kaum hatte ich die Klappe geschlossen, sah ich mich prüfend um. Offenbar hatte uns niemand beobachtet. Umso besser, denn dann musste ich nämlich keine Zeit damit verschwenden, jemandes Gedanken zu manipulieren. Nachdem ich die Koffer auf die Rückbank geworfen hatte, glitt ich hinter das Steuer und startete den Wagen.
Meine Hände krampften sich um das Lenkrad, als das Flughafengebäude im Rückspiegel immer kleiner wurde. Im Heck blieb während der Fahrt alles still und ich fragte mich, ob sie wohl noch am Leben war. Immerhin war ihr Schädel ziemlich hart auf dem Metall aufgeschlagen. Mein Herz schlug hart und schmerzhaft gegen die Enge in meinem Brustkorb an, als ich die Stadt verließ und mich dem verlassenem Fabrikgebäude näherte.
Kapitel 15: Tamara - Am Ende der Nacht
„Max?“ Flüsternd machte ich einen Schritt auf die Person zu, die mit dem Rücken zu mir stand und auf die langsam erwachende Stadt blickte. Die aufgehende Herbstsonne brach sich in den grauen Hochnebelfeldern und färbte einen Teil des Himmels zartrosa. Langsam wandte er sich zu mir um. Ich holte tief Luft, als ich in seine versteinerte Miene blickte, die so vertraut und doch so fremd wirkte. „Hallo Tamara.“ Er kam mir entgegen und verzog den Mund zu einem Lächeln.
„Kannst du mir bitte erklären, was hier läuft?!“, fuhr ich ihn an, als die Wut wieder in mir hoch kroch. Schließlich hatte ich gerade feststellen müssen, dass ich von meiner besten Freundin verraten worden war. Doch anstatt den Schmerz darüber zuzulassen, schürte ich meinen Zorn weiter an.
„Gib Valentina nicht die ganze Schuld – sie tut das alles nur für mich“ Max hob beschwichtigend die Hände und sah mir direkt in die Augen. „Erzähl mir nicht, dass du für Julian nicht das Selbe tun würdest.“ Dass er damit einen wunden Punkt traf, war ihm offensichtlich bewusst. Ich konnte nicht leugnen, dass ich an ihrer Stelle wahrscheinlich ähnlich gehandelt hatte. „Das ist keine Entschuldigung“, knurrte ich dennoch und wich seinem stechenden Blick aus. Ein Schauer durchfuhr mich, denn Max´ Augen waren so kalt und leblos, ja fast beängstigend. Er hatte nichts mehr gemeinsam, mit dem Max, den ich zu kennen geglaubt hatte.
Demonstrativ verschränkte ich die Arme vor der Brust, um ihn auf Abstand zu halten. Ich hatte keine Ahnung, was hier für ein Spiel gespielt wurde, aber ich war fest entschlossen, das alles zu beenden. „Wieso bin ich wirklich hier?“, fragte ich geradeaus, doch seine Miene blieb ungerührt. „Um Val zu helfen – so wie sie es dir erzählt hat. Es ist ganz einfach, du musst mir nur sagen, wie Damian dich zu dem gemacht hat, was du jetzt bist. Dann kannst du gehen und Valentina auch.“
„Sie bedeutet dir wirklich gar nichts mehr?“ Ich kniff die Augen zusammen, während mein Blick ungläubig auf ihm ruhte. „Das glaube ich nicht.“
Max stieß einen verächtlichen Laut aus. „Es interessiert mich nicht mehr, was aus ihr wird! Ich weiß jetzt, wo ich hingehöre – zu Margaretha!“,
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