Ruf der Dunkelheit
dem Glauben, einen Auftrag für Damian zu erledigen. Was er aber nicht wusste, ein paar Stunden zuvor war Damian bereits bei mir und hatte mich eingeweiht. Er wusste, dass ich in meinem Dorf eine Geächtete war und ich nur durch den Schutz meines Vaters davor bewahrt wurde, dass man mich davonjagte. Er schlug mir also vor, mich zu verwandeln und mich damit unsterblich zu machen. Alle Türen würden mir offen stehen, hatte er versprochen. Ich musste nicht lange überlegen, ehe ich einwilligte. Damian verlangte von Julian, mich zu töten und das tat er auch … ohne Zögern. Somit gelang es Damian einen Keil zwischen ihn und Max zu treiben. Ich erwachte wenige Stunden später und musste noch ein letztes Mal zurück in das verhasste Dorf, um mein Ableben zu inszenieren. Damian legte mich blutüberströmt vor den Toren der Stadt ab und für alle sah es so aus, als hätte ich mich im Wald herumgetrieben und wäre dort von einem Tier angefallen worden. Als man mich im Morgengrauen fand, waren sich alle sicher, dass mich die gerechte Strafe für meine Schande ereilt hatte.“ Ich hörte, wie Margaretha tief ausatmete, während sie ihre Hände zu Fäusten ballte. Ihr Mund war nur ein dünner Strich, als sie sich mir erneut zuwandte. „Als ich aufgebahrt wurde, waren nur meine Mutter und mein Vater anwesend. Kurz bevor der Sarg vergraben werden sollte, kam Damian, um mich zu holen. Doch anstatt meinen Frieden zu finden, musste ich dabei zusehen, wie mein Vater zu einem gebrochenem Mann wurde, der im Suff meine Mutter schlug, sein Amt verlor und fortan von allen gemieden wurde. Jeden Abend stand ich am Rand des Friedhofs und sah dabei zu, wie er an meinem leeren Grab weinte. Eines Morgens fand ich ihn – seine Leiche baumelte an der Eiche, die direkt neben meinem Grabstein wuchs.“
Einen Moment lang, sahen wir uns nur an. Ich wusste nicht, was ich empfinden sollte, nachdem ich von ihrer leidvollen Geschichte erfahren hatte. Natürlich konnte ich ihren Zorn nachvollziehen – aber gab ihr das das Recht, auf einen blutigen Rachefeldzug?
„Damians Tod war zwar nicht geplant“, erklärte sie schließlich. „Eigentlich wollte ich ihn nur zu Fall bringen. Aber Dank dir, muss ich mir wegen ihm keine Gedanken mehr machen. Jetzt schließt sich langsam der Kreis.“ Ein zufriedenes Lächeln zuckte um ihre Mundwinkel. „Ich hatte eine wunderbare Zeit mit Max – Valentina wird sterben, genau wie Julian und wenn ich endlich so bin wie du … dann werde ich auch dich nicht mehr brauchen.“
Ich sog scharf Luft ein, als ihre Worte in meinem Kopf widerhallten. „Wenn du Julian irgendetwas antust!“, schrie ich ihr entgegen, als erneut die Tür aufflog. Eine junge, brünette Frau lief eilig auf Margaretha zu. Sie zerrte Michael an seinem Arm durch die Tür und gab ihm einen Stoß in meine Richtung. „Der Kerl da“ Sie wies mit dem Kinn auf Olivias Bruder, „hat versucht, hier rein zu kommen – hab ihn im Lüftungsschacht gefunden.“
Margarethas Brauen schnellten nach oben, ehe sie mit den schleichenden Schritten einer Raubkatze an Michael herantrat. „Was hat dich dazu bewogen, so etwas Dummes zu tun?“ Ihre Stimme war ein schneidendes Flüstern und ich konnte fühlen, wie sich jedes einzelne Härchen auf Michaels Haut aufrichtete.
Doch anstatt zu antworten, blickte er stumm in Margarethas Gesicht, dem anzusehen war, dass sie die Geduld verlor. Grob packte sie mit ihren Händen Michaels Wangen und trat so dicht an ihn heran, dass sich ihre Nasenspitzen fast berührten. „Na gut, wenn du nicht reden willst – mir auch egal! Du stirbst so oder so!“ Mit diesen Worten entblößte sie ihre Zähne, während ein drohendes Fauchen aus ihrer Kehle drang.
Michael verharrte völlig regungslos und mit starrer Miene, als sie ihre Lippen um seinen Hals schloss. Im nächsten Moment ertönte ein schrecklicher Aufschrei, die Luft surrte und ein greller Lichtblitz blendete mich so sehr, dass ich die Augen mit meinem Arm abschirmen musste. Margaretha fiel vornüber auf die Knie, krümmte sich unter Schmerzen und stieß einen weiteren, markerschütternden Schrei aus. Es dauerte einige Sekunden, bis mein Verstand erfasste, was da vor sich ging. Mein Blick flog hektisch umher, bis er schließlich an Michael haften blieb. Die Gläser seiner Brille waren zerbrochen und das Haar stand wirr nach allen Seiten ab, doch als ich auf seine Hände blickte, erstarrte ich für einen Moment. Die Haut in seinen Handflächen schien zu glühen, wie
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