Ruf der Geister (German Edition)
um an sie heranzukommen. Da er wusste, wie vergesslich er sein konnte, stellte er die Maschine direkt vor seine Wohnungstür.
Als er um 0:35 Uhr endlich im Bett lag, dachte er an Lisbeths Worte.
Jetzt wartet ein neues Leben auf mich.
„Ich wünsche es dir so“, flüsterte er in die Dunkelheit seines Zimmers.
Er drehte sich auf die Seite und schloss die Augen. Eine Weile schlugen seine Erinnerungen noch Purzelbäume, dann versank er in tiefen Schlaf.
Den Radiowecker am nächsten Morgen hätte er am liebsten zertrümmert. Der fröhliche Moderator nervte ihn mit Guten-Morgen-Sprüchen und er tastete suchend nach dem Schalter, um das Gerät zum Schweigen zu bringen.
„Radio ist ja gut und schön, aber müsst ihr am frühen Morgen schon so gut drauf sein?!“, blaffte er und hä mmerte auf die Taste.
Brummend setzte er sich auf und fuhr sich über das wirre Haar. Es war noch viel zu kalt in der Wohnung. Er zog sich rasch den Morgenmantel über und drehte die Heizung auf. In der Küche stellte er zuerst den Wasserk ocher an. Er brauchte Kaffee!
Als Joshua die Zeitung aufschlug und die Lokalseite las, stockte er. Der Artikel berichtete von einem Unfall in seinem Stadtteil, bei dem ein sechzehnjähriges Mädchen zu Tode gekommen war. Ein Auto hatte sie am Vortag erfasst. Joshua strich über das Bild. Es zeigte eine fröhliche Jugendliche, die vielleicht ein wenig zu stark g eschminkt war.
Betroffen legte er die Schrift zur Seite.
Auf der Fahrt zur Arbeit konnte er die Gedanken an das Mädchen kaum abstreifen.
Als er pünktlich um 8 im Büro ankam und die Kaffe emaschine in den Aufenthaltsraum stellte, jubelte Hannah.
„Geht es dir wieder gut, Josh?“
„Ja, sicher.“
„Björn hat eventuell einen neuen Auftrag für dich.“
„Gut. Wer ist es denn?“
„Sie heißt Sophie Krantz“, erzählte Hannah und reichte ihm die zugehörige Akte. „Die Kleine ist jetzt das vierte Mal von zu Hause ausgerissen.“
„Und wo ist sie?“
„Da beginnt das Problem. Wahrscheinlich wirst du sie auf der Adenauerallee finden. Jemand hat sie gestern g emeldet, weil sie so jung ist. Laut Beschreibung könnte sie es sein.“
Er warf einen Blick in die Unterlagen. Das Mädchen war erst vierzehn. Und wenn man sie auf der Adenauera llee gesichtet hatte, ging sie höchstwahrscheinlich auf den Strich.
„Ihre Eltern haben eine Vermisstenanzeige aufgeg eben“, erklärte Hannah weiter. „Sie ist jetzt fast eine Woche fort.“
„Ich fahr hin und erkundige mich mal.“
Hannah stellte sich plötzlich auf die Zehenspitzen, zog Joshua zu sich herunter und küsste ihn auf die Wange. „Das ist für die Kaffeemaschine!“
Joshua lachte leise.
Er zog sich zurück und las aufmerksam die Berichte über Sophie Krantz, prägte sich ihr Bild ein. Besorgt legte er die Akte fort. Ihre Eltern schienen extrem uneinsichtig zu sein. Er wollte aber die Geschichte von dem Mädchen hören – wenn er sie fand.
Als er wenig später suchend die Adenauerallee entlan gfuhr, kam er sich vor wie einer der Freier. Er schnaufte bei diesem Gedanken auf und stellte sein Fahrzeug am Parkplatz bei Schloss Berge ab.
Es waren kaum Mädchen da. Der Schnee und die Kälte vertrieben sie von den Straßen. Nur zwei harrten zitternd aus und liefen mit schwingenden Hüften den Bürgersteig entlang. Die Dunkelhaarige tat das sehr professionell. Das andere Mädchen hielt sich abseits und schielte zu ihr hinüber, als ob sie noch nicht genau wisse, was am besten zu tun wäre.
Ihr blonder Pagenkopf reichte etwas länger herunter als auf dem Bild, aber Joshua war sich sicher. Das Puppengesicht der Vierzehnjährigen wirkte auffällig genug und er mochte sich kaum ausmalen, wie viele Pädophile schon mit ihr in den Wohnwagen gegangen waren, der meist irgendwo bereitstand.
Langsam näherte er sich ihr. Als sie bemerkte, dass jemand sie im Auge hatte, lächelte sie kokett und kam ihm entgegen. Ihr Auftreten, so unsicher es hinter ihrer Fassade sein mochte, wirkte einstudiert.
„Hey, was kann ich denn für dich tun? Du bist ja ein richtig Süßer!“
„Hi, Sophie.“
Das Mädchen blinzelte, dann begriff sie, wandte sich abrupt ab und stiefelte davon, so schnell sie mit den hohen Absätzen über den vereisten Gehweg flüchten konnte.
Joshua holte sie rasch ein und fasste sie sanft am Arm. „Bitte warte!“
Sie riss sich los und funkelte ihn wütend an. „Lass mich in Ruhe! Ich gehe nicht zurück!“
„Niemand redet von Zurückgehen. Aber ich könnte dich
Weitere Kostenlose Bücher