Ruf der Sehnsucht - Historical Special Bd 33
ihre veilchenblauen Augen so zornig aufblitzten, dass Hugues um ein Haar vor Freude laut gelacht hätte.
„Sophie!“, entfuhr es ihm. Schlagartig stellte sie jede Gegenwehr ein und starrte ihn sprachlos an. Erst jetzt ging Hugues auf, dass er das Helmvisier heruntergeklappt hatte und sie sein Gesicht deswegen gar nicht erkennen konnte. Doch kurz darauf war dieses Problem behoben, und die unverhohlene Freude auf Sophies Antlitz ließ ihn jegliche Bedenken vergessen.
„Hugues!“, rief sie voller Entzücken, die Hände um seine Wangen geschmiegt, als könne sie gar nicht glauben, dass er leibhaftig vor ihr saß. Auf ähnliche Weise hatte sie ihn früher schon begrüßt, und Hugues schwoll das Herz vor lauter Besitzerstolz. Offensichtlich hatte sie es sich doch noch anders überlegt. Jetzt war er heilfroh, dass er sich von seinem Schwager hatte überreden lassen, in den Wald zurückzukehren.
„Luc!“, rief er über die Schulter. „Kehrt marsch! Vielleicht können wir doch noch dem Feuer entrinnen.“
„Sophie!“, schrie Luc, als er sie erkannte, und seine besorgte Miene verzog sich zu einem breiten Grinsen. „Wir haben schon befürchtet, es könnte Euch etwas zugestoßen sein.“
„Was geht denn eigentlich vor?“, fragte Sophie, doch als sie den Rauch roch, verblasste ihr Lächeln. Stirnrunzelnd und verwirrt sah sie ihren Retter an.
„Die Bauern haben den Wald in Brand gesteckt“, unterrichtete er sie leise, worauf Sophie schnuppernd die Nase in den Wind hielt und Hugues besorgt anschaute.
„Es ist ganz nah“, flüsterte sie.
Er nickte. „Und nähert sich schnell“, betonte er und trieb sein Reittier in die Richtung, aus der sie gekommen waren.
„Warte“, rief Sophie und packte seine Schulter mit einer Kraft, die Hugues in Erstaunen versetzte.
„Wir können nicht warten“, entgegnete er.
Sie schüttelte heftig den Kopf. „Melusine“, sagte sie, und er nahm an, dass damit die Frau gemeint war, der sie damals gefolgt war, statt mit ihm weiterzureiten. „Ich kann sie doch nicht einem solchen Schicksal überlassen.“ Trotz ihrer flehentlichen Bitte lag Hugues allerdings wenig daran, sein Leben aufs Spiel zu setzen für jene Frau, die Sophie dazu verleitet hatte, ihm den Laufpass zu geben.
„Uns bleibt keine Zeit“, wandte er ein, schon etwas verärgert darüber, dass sie viel zu viel Zeit mit dieser Angelegenheit vertrödelten. „Wir müssen los, wenn wir’s noch aus dem Wald herausschaffen wollen.“
„Ich darf aber nicht einfach davonlaufen, ohne sie vorher zu warnen.“ Sophie sah ihn mit einem Blick an, in dem Bestürzung lag. Widerstrebend musste Hugues ihr recht geben.
„Begleitet sie dich denn nicht?“, fragte er scharf. Sophie wurde rot und blickte ihn kopfschüttelnd und verschämt an. Das hatte er an ihr noch nie erlebt, auch nicht, dass sie sich so angespannt mit der Zunge über die Lippen fuhr.
„Wir hatten Streit“, gab sie verlegen zu. „Und eigentlich wollte ich sie verlassen.“
„Aber wo wolltest du denn hin?“, forschte Hugues, der nicht wagte, der Hoffnung zu glauben, die sich in seiner Brust regte. „Bordeaux liegt doch genau in der Gegenrichtung.“
Sophie wagte rasch einen kurzen Blick. Ihre Schamesröte wurde noch dunkler. „Sie hatte dir ja damals gesagt, dass es dort nach Burg Pontesse geht“, gestand sie dermaßen kleinlaut, dass er sich anstrengen musste, sie zu verstehen. Beinahe blieb ihm vor Schreck das Herz stehen. Dann aber konnte er mit seiner Freude kaum an sich halten, auch wenn er sich bloß ein leises Lachen erlaubte.
„Das tut es auch“, bekräftigte er fröhlich, und Sophie schaute auf. Er beugte sich zu ihr herunter und küsste sie, bis sie keine Luft mehr bekam. „Dann stehe ich wohl bei deiner Melusine in der Schuld, denn sie hat ja dafür gesorgt, dass du Vernunft annimmst“, grummelte er, als er beim Küssen innehielt, um Luft zu schnappen. „Da müssen wir sie natürlich zuerst aufsuchen.“
12. KAPITEL
Nachdem sie Hals über Kopf die Lichtung mit der Hütte erreicht hatten, sprang Sophie aus dem Sattel, während Hugues Ausschau hielt, wie dicht die Feuersbrunst ihnen wohl auf den Fersen war. Recht nahe, wie er bangen Herzens feststellte; mit grausigem, ohrenbetäubendem Geheul kroch das rotgoldene Flammenmeer auf die Waldlichtung zu. Nicht lange, dann würde alles vom Feuer eingeschlossen sein. Was sollte er bloß tun? Schon spürte Hugues den Geschmack der Todesangst auf der Zunge.
„Melusine!“
Sophies Rufe
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