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Ruf der Sehnsucht

Ruf der Sehnsucht

Titel: Ruf der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Ranney
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die über Kinderbetreuung hinausgehen.«
    »Wovon sprecht Ihr?«
    Nach einem Moment des Zögerns antwortete er: »Wenn Ihr nicht schon seine Mätresse seid, dann werdet Ihr es bald sein, Miss du Marchand.«
    »Wer sagt das?« Es überraschte sie nicht nur, dass er von Hartleys Absichten Kenntnis hatte, sondern auch, dass er ungeniert darüber sprach. Offenbar war der ungestüme, unerschrockene junge Mann doch nicht gänzlich verschwunden.
    »Hartley hat damit geprahlt.«
    Eine schockierende Antwort, und eine, auf die ihr spontan keine zündende Erwiderung einfiel. Im Kloster hatte sie keine Gelegenheit gehabt, sich in schlagfertiger Konversation zu üben, war all die Jahre auf ihre eigenen Gedanken beschränkt gewesen.
    Jeanne schaute zu Davis hinüber, der sich mit dem Kutscher unterhielt. Eine der Wangen des Jungen war ausgebeult wie die Backentasche eines Eichhörnchens vor dem Einbruch des Winters.
    »Ich bin allein aus Frankreich geflüchtet, Mr. MacRae«, sagte sie schließlich. »Ich bin durchaus in der Lage, mich meiner Haut zu wehren.«
    »Und wenn er sich partout nicht abweisen lässt?«
    »Dann werde ich die Situation ertragen.«
    Seine Augen ließen keine Regung erkennen. Offenbar hatte auch er gelernt, seine Empfindungen zu verbergen. »Ihr würdet zustimmen, Hartleys Mätresse zu werden?«
    »Wenn ich muss.« Warum ging er nicht endlich? Sie fing an zu zittern, und wenn er noch länger bliebe, würde es ihm sicher auffallen.
    »Ich möchte Euch ein Angebot machen«, sagte er zu ihrer Überraschung. »Allerdings keines fleischlicher Natur. Ihr seid Gouvernante, und ich brauche eine.«
    Sie heuchelte Interesse. »Tatsächlich?«
    »Werdet Ihr darüber nachdenken?«
    »Euer Kind zu betreuen?« War sie auf der Flucht aus Frankreich gestorben und in der Hölle gelandet? Machte sich der Allmächtige einen Scherz mit ihr? Oder hatte sie wieder einmal einen Alptraum? Nein – sie spürte, wie ihr Magen sich zusammenzog und sie weiche Knie bekam. Das geschah im Traum nie.
    Plötzlich war Davis da und nahm sie bei der Hand. Ohne ein weiteres Wort ging Jeanne mit dem Kind davon.
    Aber so einfach ließ Douglas sie nicht entkommen. Nach ein paar Schritten tippte er ihr von hinten energisch auf die Schulter.
    Sie schaute sich um. Es war das erste Mal, dass sie ihn zornig sah. Sie hatte ihn nur als Geliebten oder Freund gekannt.
    »Ihr schuldet mir noch eine Antwort, Miss du Marchand.«
    Sie drehte sich ihm zu. »Ich danke Euch für das Angebot, doch ich habe eine Anstellung und gedenke, sie zu behalten, Mr. MacRae.«
    »Selbst, wenn Ihr Hartleys Mätresse werden müsst?«
    Davis schaute neugierig von einem zum anderen.
    »Es gibt Schlimmeres, als die Mätresse eines reichen Mannes zu sein«, antwortete sie leise und senkte den Blick auf das Pflaster.
Es hat dich vor zehn Jahren nicht gekümmert, was aus mir wurde – warum kümmert es dich jetzt?,
schleuderte ihm das Mädchen von damals entgegen. Aber die Frau, die sie heute war, hielt sich zurück.
    Sie ging weiter, bevor er sie noch einmal berühren konnte. Als sie seine Schritte hinter sich hörte, nahm sie Davis fest bei der Hand und rannte beinahe die Straße entlang.
    Douglas MacRae gehörte ebenso wie Frankreich und alle damit verbundenen Erinnerungen der Vergangenheit an.

Kapitel 8
    D ouglas sah Jeanne nach und schalt sich einen Narren.
    Was hatte er getan?
    Er hatte recht gehabt: Sie hatte sich tatsächlich verändert. Sie war eine typische, arrogante, französische Aristokratin geworden. Allerdings waren ihre Augen glanzlos, und er glaubte gesehen zu haben, dass ihre Hände zitterten.
Dann werde ich die Situation ertragen.
    Was zum Teufel sollte das heißen?
    Er konnte sich nicht vormachen, dass sie keine Gefühle mehr in ihm zu wecken vermochte, denn in der letzten Viertelstunde hatte er Verärgerung, Zorn und Neugier empfunden. Scheinbar ohne es zu wollen, hatte sie ihm bewiesen, dass seine Gleichgültigkeit nur Fassade war.
    Jeanne entschwand seinem Blick, und Douglas verspürte den Drang, ihr zu folgen und sie zu fragen, warum sie ihn angesehen hatte, als begreife sie sein Angebot nicht.
    Wie alt war der kleine Junge wohl? Sechs? Sieben? Das Alter von Hartleys Sohn ging ihn nichts an. Und er hatte nicht das Recht, dem Kleinen die Zuneigung zu verübeln, die Jeanne ihm entgegenbrachte.
    In einer Hinsicht hatte sie sich nicht verändert – sie gehörte noch immer zu den Frauen, die ohne Anstrengung Aufmerksamkeit erregten. Ihre Haltung, ihre

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