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Ruf der Sehnsucht

Ruf der Sehnsucht

Titel: Ruf der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Ranney
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in einen Rock zu schlüpfen, wozu die rote Arbeitsschürze ein wenig unpassend wirkte. Als er Jeannes Blick sah, schaute er an sich herunter und lächelte dann.
    »Ich muss mich entschuldigen«, sagte er. »Normalerweise hätte mein Lehrling Euch begrüßt, aber er ist unterwegs.«
    »Ich bin im Auftrag der Hartleys hier.« Sie nahm die Bestecke aus dem Korb, den sie am Arm trug, und legte sie auf den Ladentisch. »Könnt Ihr diese Schäden reparieren?«
    Der Mann prüfte die Stücke eingehend und sagte schließlich: »Ja, das kann ich. Wie viel Zeit gebt Ihr mir dafür?«
    »Sind drei Tage genug?«
    Er nickte lächelnd und versprach: »Ich liefere das Besteck persönlich.«
    Sie gab ihm die Adresse, und einen Moment später standen sie und Davis wieder auf der King Street.
    »Wohin gehen wir jetzt?«, wollte der Junge wissen, nachdem das Abschiedsbimmeln des Glöckchens verklungen war.
    Als sie in das erwartungsvolle Kindergesicht blickte, fasste sie einen Entschluss. »Ich denke, wir suchen einen Laden mit Süßigkeiten.« Sie hatte noch ein paar Münzen von ihrem ersten Lohn übrig und wollte die Geduld des Jungen belohnen.
    »Wirklich?«, fragte er aufgeregt.
    »Wirklich.« Liebevoll zauste sie sein Haar.
    »Ein reizendes Bild«, sagte eine Männerstimme.
    Wenn sie dazu in der Lage gewesen wäre, hätte sie Douglas weggezaubert, aber da sie das nicht konnte, musste sie sich der Begegnung stellen.
    Er trug einen eleganten Anzug und ein tadellos gebundenes Halstuch und hielt einen Spazierstock mit goldenem Knauf in der Hand.
    Nichts erinnerte mehr an den offenen, wissbegierigen Jungen von damals. Wären nicht ihre Erinnerungen gewesen, hätte der Mann, der da vor ihr stand, ein Fremder sein können.
    Aber war er überhaupt aus Fleisch und Blut, oder träumte sie? Fast hätte Jeanne die Hand ausgestreckt, um zur Probe den zu einem halben Lächeln hochgezogenen Mundwinkel des Mannes zu berühren, doch in diesem Moment machten ihre nach zu wenig Schlaf brennenden Augen und die Kinderhand in der ihren ihr klar, dass sie wach war.
    Er deutete eine Verbeugung an. »Miss du Marchand.«
    Sie nickte knapp. »Mr. MacRae.« Sie hoffte, ihn mit ihrer Unfreundlichkeit schnell loszuwerden.
    In ihrer winzigen Zelle im Kloster waren die Erinnerung an seine Lippen auf ihrer Haut, seine Stimme in ihren Träumen und die Phantasie, morgens seine Hand auf der ihren zu spüren, das Einzige, was ihr geblieben war. Natürlich wäre es weniger schmerzhaft gewesen, wenn sie Douglas nicht vom Aufwachen bis zum Einschlafen vermisst hätte, aber Schmerz zu empfinden war besser, als abzustumpfen.
    Doch jetzt stand er leibhaftig vor ihr. Die abwärts verlaufenden Augenwinkel verliehen seinem Gesicht einen fast schläfrigen Ausdruck, doch sein Blick war hellwach und scharf.
    Sie war ein sinnliches Mädchen gewesen und fasziniert von seinem Körper. »Ich liebe es, dich nackt zu sehen«, hatte sie einmal gesagt.
    Er hatte sich mit ihr im Arm gedreht, bis sie unter ihm lag, und beidhändig mit gespreizten Fingern in ihre Locken gegriffen.
    »Und was genau liebst du da?«
    »Deine Schultern.« Sie sah ihm an, dass die Antwort ihn überraschte. Sie hob die Hand und fuhr von seiner Halsgrube bis zu seinem Armansatz. »Sie sind so breit, so kräftig«, sagte sie. »Man sieht dir gar nicht an, dass du so zärtlich und lieb sein kannst.«
    »Lieb?« Er drückte ihr einen Kuss auf die Nase. »Ist das ein angemessenes Attribut für einen Mann?«
    »Wenn er mir eine Blume mitbringt, wenn er mich einen Tag nicht gesehen hat, ja«, antwortete sie ernst. »Oder wenn er wissen will, was ich geträumt habe. Oder wenn er ein Gedicht für mich verfasst.«
    Als er rot wurde, erkannte sie, dass ihre Worte ihn verlegen machten.
    »Was liebst du sonst noch an mir?«, wechselte er so schnell das Thema, dass sie lächeln musste.
    »Deine Brust.« Sie legte die Hand daran. Manchmal vergaß sie, wie viel größer und stärker er war, und das lag daran, dass er so behutsam mit ihr umging. Wenn sie sich liebten, wurde er nie grob, und darum glaubte sie, dass die Vereinigung von Mann und Frau grundsätzlich von Zärtlichkeit geprägt war.
    »Ein schöner Tag, nicht wahr, Miss du Marchand?«, riss Douglas sie aus ihrer Träumerei.
    Er beabsichtigte offenbar, so zu tun, als kennten sie einander nicht, als hätten sie einander nicht monatelang geliebt, als wäre sie nicht bereit gewesen, alles für ihn aufzugeben.
    »Ja, in der Tat«, erwiderte sie ebenso distanziert – oder

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