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Ruf der Sehnsucht

Ruf der Sehnsucht

Titel: Ruf der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Ranney
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hinunter.
    Gleich darauf sperrte sie die Seitentür hinter sich ab und legte den Ersatzschlüssel an den gewohnten Platz.
    Obwohl sie den Entschluss zu gehen, schon vor Stunden gefasst hatte, zögerte sie plötzlich. Vor ihr lag eine ungewisse Zukunft, und das machte ihr Angst. Doch dann fasste sie sich ein Herz.
    Sie hatte sich bereits überlegt, wohin sie gehen würde. Der Mann ihrer Tante würde sie nicht aufnehmen – das hatte er ihr bei ihrem Erscheinen nach der Flucht aus Frankreich unmissverständlich erklärt –, aber sie könnte für ein paar Tage bei einem Ehepaar unterschlüpfen, das sie auf der Überfahrt kennengelernt hatte. Die beiden waren die Eltern des Kindes, das sie gepflegt hatte, und die Frau hatte ihr damals zum Dank die drei Kleider geschenkt. Das Geld, das sie von ihrem Lohn übrig behalten hatte, wäre zumindest ein kleiner Dank für ihre Hilfsbereitschaft. Jeanne hoffte, schnell eine neue Anstellung zu finden.
    Wind kam auf, fuhr unter ihren Rock, und in der Ferne donnerte es. Gleich darauf zuckte ein Blitz vom Himmel hernieder. Sie machte sich nichts daraus.
    Wieder war sie zu Fuß unterwegs. Wie seinerzeit auf ihrem Weg von Vallans zur Kanalküste. Die Entfernung, die heute Nacht vor ihr lag, war ungleich viel kürzer. Das Emigrantenviertel befand sich am anderen Ende von Edinburgh in der Altstadt.
    Plötzlich wurde sie von hinten um die Taille genommen und hochgehoben. Sie schrie auf, doch eine rauhe Hand verschloss ihr den Mund. Jeanne ließ ihren Koffer fallen und schlug wild um sich.
    Ihr Angreifer bekam eines ihrer Handgelenke zu fassen. Jeanne keilte nach hinten aus, traf ein Bein, doch der Mann ließ sich nicht beirren, packte auch noch ihr anderes Handgelenk. Wutentbrannt entwand sie sich seinem Griff, fuhr herum und schlug dem Fremden ins Gesicht.
    »Verdammte Hexe!«
    Sie versetzte ihm noch einen Tritt, hob ihren Koffer auf und holte damit aus. Mit einem dumpfen Laut traf er auf den Brustkorb ihres Angreifers. Im nächsten Moment warf der Mann sie sich über die Schulter. Sein Lachen steigerte Jeannes Wut noch. Verzweifelt ruderte sie mit den Armen und strampelte mit den Beinen.
    »Halt still, verdammtes Weib!«
    Wie von Sinnen trommelte sie mit den Fäusten auf seinen Rücken.
    »Ich bin wirklich kein brutaler Mensch, aber wenn Ihr nicht endlich Ruhe gebt, werde ich Euch schlagen müssen«, sagte er.
    »Dann müsst Ihr mich eben schlagen«, keuchte sie, ohne ihre Gegenwehr zu unterbrechen. »Ich werde mich nicht kampflos vergewaltigen lassen.«
    »Vergewaltigen?« Er klang fassungslos. »Ich habe nicht vor, Euch zu vergewaltigen.«
    Er setzte sie ab. Jeanne war so überrascht, dass sie einen Moment lang wie angewurzelt stehen blieb. Doch dann wich ihre Erstarrung. Sie packte den Koffer, den der Mann ebenfalls auf die Straße gestellt hatte, und rannte los, so schnell ihre Füße sie trugen. Sekunden später hatte ihr Angreifer sie eingeholt und stieß sie zu Boden.
    Außer Atem herrschte sie ihn an: »Runter von mir, Unhold!«
    »Ich bringe Euch zu ihm«, stieß er wütend hervor, »soll er sich doch mit Euch herumärgern.«
    Wieder warf er sie sich wie einen Mehlsack über die Schulter, sammelte ihren Koffer ein und setzte sich in Bewegung. Jeanne wehrte sich zwar auch diesmal, aber ihre Kräfte ließen nach, und außerdem war ihr schwindlig, weil sie kopfüber hing.
    Nach einer Zeit, die ihr wie eine Ewigkeit vorkam, blieb der Fremde stehen und setzte sie unsanft am Fuß einer Treppe ab. Jeanne landete auf dem Gesäß und schaute zu ihrem Peiniger auf. Laternen beiderseits der Stufen beleuchteten das schmale Gesicht eines jungen Mannes mit langem, braunem Haar. Einen Moment lang starrten sie einander schweigend an. Dann sagte er mit einer Kopfbewegung zum Hauseingang: »Da schleppe ich Euch nicht hoch – dazu seid Ihr mir zu schwer.«
    »Wo sind wir hier?«, fragte sie.
    »Das werdet Ihr gleich erfahren.«
    Sie stand auf und strich ihren Rock glatt. Der Fremde packte sie beim Handgelenk und zerrte sie die Stufen hinauf. Als sie gerade wieder nach ihm treten wollte, ging am Kopf der Treppe die Tür auf.
    Ein alter Mann in einem Hausmantel, auf dem Kopf eine Nachtmütze mit Troddel, blickte stirnrunzelnd auf die beiden hinunter.
    »Sagt ihm Bescheid, dass ich sie hergebracht habe. Sie wollte weglaufen, und ich wusste nicht, was ich tun sollte.«
    Der Majordomus trat beiseite, und Jeanne traute ihren Augen nicht: Douglas MacRae stand vor ihr!
    »Der Kapitän sagte mir, ich

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