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Ruf der Sehnsucht

Ruf der Sehnsucht

Titel: Ruf der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Ranney
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gemeinsame Vergangenheit, nur ein gemeinsamer Sommer. Ein Sommer, in dem er sich hatte verzaubern lassen. Jeanne hatte ihn vom ersten Moment an fasziniert. Sie war der Augenstern ihres Vaters, allseits beliebt und drauf und dran, Paris zu erobern.
    Doch nachdem sie sich kennengelernt hatten, gab sie um seinetwillen nahezu all ihre Aktivitäten und ihre Freundinnen auf. Ihr ganzes Sein war nur noch auf ihn konzentriert, so wie das seine auf sie. Sie waren regelrecht besessen voneinander und völlig unbedacht vor Liebe.
    In jenen Monaten hatten Jeannes Augen vor Begeisterung und Freude geleuchtet und später vor Leidenschaft. Es gab kein Thema, das sie nicht diskutieren, nichts, was sie nicht wissen wollte. Sie brachten Stunden um Stunden mit Debattieren zu. Er erzählte ihr von seiner Kindheit in Nova Scotia und gab Geschichten seiner älteren Brüder wieder. Und auch sie erzählte ihm aus ihrem Leben. Sie trauerte noch immer um ihre Mutter, und er gewann den Eindruck, dass sie als Einzelkind sich oft einsam gefühlt hatte. Sie besaß ein großes, komisches Talent und amüsierte ihn mit ihren Geschichten über das Leben bei Hofe, parodierte die Freunde und Bekannten ihres Vaters.
    Er hatte Jeanne als Sechzehnjährige in Erinnerung behalten, sich nie gestattet, darüber nachzudenken, was für eine Frau wohl aus ihr geworden sein mochte.
    Sie sah müde aus, bemerkte er, hatte dunkle Ringe unter den Augen, und die Röte auf ihren bleichen Porzellanwangen verlieh ihr eher ein ungesundes als frisches Aussehen. Sie wirkte nicht lebendiger als die Skulptur auf dem Kamin.
    Er wollte kein Mitleid für Jeanne empfinden. Diesen Luxus durfte er sich nicht erlauben, denn sobald er es täte, sobald seine Neugier erwachte, wäre es wieder um ihn geschehen. Und er wollte nie wieder so töricht sein, ihrem Zauber zu erliegen.
    Die Frau, die da mit gefalteten Händen vor ihm saß, war die Verkörperung der Wohlanständigkeit, allenfalls ein farbloses Abbild des leidenschaftlichen Mädchens mit den blitzenden Augen, das er gekannt hatte. Und das war gut so.
    »Ich vermute, Hartley hat sich als Problem erwiesen«, lenkte er sich von seinen unerwünschten Erinnerungen ab. Wem überhaupt, dann sollte er sich an den Tag erinnern, an dem er Margaret rettete.
    »Ich habe sein Haus verlassen.«
    »Mit seinem Wissen?« Als sie ihn überrascht ansah, lächelte er. »Es ist nicht üblich, dass Angestellte mitten in der Nacht gehen, Jeanne.« Er hatte sie, ohne zu überlegen, mit ihrem Vornamen angesprochen – und prompt fiel ihm ein, wie sie den seinen geflüstert hatte.
    Unwillig schüttelte er den Kopf, um die Erinnerung zu verscheuchen. »Mein Stellenangebot gilt noch«, hörte er sich sagen. Er ging wieder zum Konsoltisch hinüber und wünschte, er wäre einer der Männer, die sich mit Alkohol betäubten. Das hätte ihn daran gehindert, den gefährlichen Kurs weiterzuverfolgen, den er unwillentlich eingeschlagen hatte.
    Margaret war auf Gilmuir und würde noch drei Wochen dort bleiben. Das gab ihm Zeit. Aber wofür? Er mochte Rache an Jeanne du Marchand nehmen wollen, doch plötzlich wurde ihm klar, dass er keine Ahnung hatte, in welcher Form.
    »Habt Ihr wirklich eine Tochter?«, holte sie ihn aus seiner Grübelei.
    Er wandte sich ihr zu. »Zweifelt Ihr daran?«
    »Dann seid Ihr Witwer.«
    »Ja.« Das war natürlich eine Lüge, aber Jeanne war der größere Sünder von ihnen beiden.
    »Und wo ist das Kind?« Sie blickte sich um, als erwarte sie, es jeden Moment hinter einem Sessel hervorspringen zu sehen.
    »Zurzeit nicht in Edinburgh«, antwortete er ob dieser Vorstellung wider Willen amüsiert.
    »Wozu braucht Ihr dann eine Gouvernante?«
    »Ich hatte nicht gesagt, dass ich sie
sofort
benötige.« Er brachte ihr einen Sherry. Als sie das Glas entgegennahm, streiften ihre Finger einander.
    »Meine Tochter ist sehr intelligent«, sagte er, »und sehr wissbegierig.« Welche Ironie, dass er Jeanne ihr eigenes Kind beschrieb. »Aber ich habe es immer wieder hinausgeschoben, jemanden zu engagieren, weil ich sie von keinem fremden Menschen unterrichten lassen wollte.«
    »Dann solltet Ihr vielleicht auch weiterhin auf eine Gouvernante verzichten.«
    Er hatte nicht erwartet, dass sie sein Angebot ausschlagen würde. »Vielleicht würdet Ihr meinen Ansprüchen ja gar nicht gerecht«, provozierte er sie. Zu seiner Enttäuschung sprang sie nicht darauf an. Die Jeanne aus seinen Jugendjahren wäre nicht so zurückhaltend gewesen.
    »Wenn ich richtig

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