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Ruf der Sehnsucht

Ruf der Sehnsucht

Titel: Ruf der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Ranney
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Schuhe geputzt – und sie hatte gebadet.
    Dass sie blass war, lag daran, dass sie in der vergangenen Nacht nicht viel zum Schlafen gekommen war. Das war auch der Grund für das Leuchten in ihren Augen.
    Sie hatte ihren »Sonntagsstaat« angelegt, ein meerblaues Seidenkleid mit drei Schleifen auf dem Vorderteil des Mieders und ecrufarbener Spitzenrüsche um den Ausschnitt. Wenn man genau hinsah, entdeckte man, dass die Spitze an zwei Stellen gestopft war und die mit Schleifen verzierten dreireihigen Spitzenrüschen, die die Halbärmel umrandeten, oft getragen waren, aber es war das Opulenteste, was sie besaß.
    Als sie ihr Fichu umlegte und dem Mädchen durch den Korridor und die elegant gewendelte Treppe hinunter folgte, fühlte sie sich selbstsicher wie einst.
    Douglas hatte beim Bau des Hauses offenbar Wert auf Behaglichkeit gelegt, aber auch Raum für Dekorationen geschaffen. So gab es hier und da kleine Aussparungen in den Mauern, die Skulpturen beherbergten, und auf dem Treppenabsatz befand sich eine Nische mit einem seltsam aussehenden Messingobjekt darin.
    »Das ist ein Astrolabium«, beantwortete das Dienstmädchen Jeannes fragenden Blick. »Ein seltenes Stück und sehr alt«, sie schaute sich um und setzte dann flüsternd hinzu, »und mühsam abzustauben!«
    »Wozu dient es?«
    Das Mädchen überlegte kurz und antwortete dann, als hätte sie es irgendwann auswendig gelernt: »Früher benutzte man es auf See zum Navigieren. Irgendwann wurde es durch den Sextanten ersetzt.«
    Jeanne war jetzt nicht schlauer als vorher, aber natürlich behielt sie das für sich, um das Mädchen nicht zu kränken.
    Douglas entstammte, wie sie damals in dem Sommer in Paris auf ihre Frage hin erfahren hatte, einer Familie von Seefahrern. »Willst du nicht auch zur See fahren?«, hatte sie von ihm wissen wollen.
    »Oh, doch«, antwortete er. »Die Welt ist groß, und ich will alles sehen. Den Orient, Indien …«
    Er lag, die Arme unter dem Kopf verschränkt, im Gras und blickte zum Himmel hinauf. Sie erinnerte sich an den Tag, als wäre es gestern gewesen. Sie hatten den ganzen Nachmittag geredet, denn für etwas anderes war der Platz zu öffentlich.
    Als Jeanne in einer anderen Nische einen zinnoberroten Krug entdeckte, fragte sie sich, ob Douglas wohl wirklich in der Ferne gewesen war. Sie wusste so viel über ihn, auch Persönliches, aber vieles war noch immer ein Geheimnis.
    Sie und Douglas waren vertraute Fremde.
    Am Fuß der Treppe wandte das Mädchen sich nach rechts und führte Jeanne durch eine Reihe von Korridoren. Das Haus war riesig, und Jeanne beglückwünschte sich im Stillen, dass sie es nicht auf eigene Faust erkundet hatte, denn sie hätte sich unweigerlich verirrt. Sie war den ganzen Tag in ihrem Zimmer geblieben, um Douglas nach der irritierenden Begegnung am Morgen nicht früher wieder gegenüberzustehen als nötig.
    Er hatte ausgesehen, als wäre er wütend auf sie, als würde er sie am liebsten für das bestrafen, was zwischen ihnen geschehen war. Zumindest schien er sich zu ärgern, dass er ihr die Stelle der Gouvernante angeboten hatte, wirkte dann aber seltsam erleichtert, als sie sie annahm.
    Sie hatte ihm sagen wollen, dass er nicht mehr in ihr Bett kommen solle, dass die Stellung der Gouvernante nicht die Position einer Mätresse beinhalten dürfe, doch zu ihrer eigenen Überraschung hatte sie geschwiegen.
    Vielleicht weil sie fürchtete, dass er ihren Wunsch respektieren und sie nie mehr so berühren und küssen würde wie in der vergangenen Nacht.
    Wie sollte sie das ertragen?
    Also war ihre Bitte unausgesprochen geblieben, und er hatte nicht zugesichert, sie zu respektieren.
    Das junge Mädchen zeigte auf einen Durchgang und ließ Jeanne dann einfach stehen. Wie aus dem Nichts tauchte in seiner schwarzen Livree mit steifem, weißem Kragen und weißen Handschuhen Lassiter auf und verbeugte sich vor ihr.
    Jeanne war mit einem ganzen Heer von Dienstboten aufgewachsen, aber in der Gegenwart des Majordomus fühlte sie sich unbehaglich.
    »Guten Abend, Lassiter«, begrüßte sie ihn mit einer Stimme, die ihr fremd in den Ohren klang.
    Statt einer Erwiderung verbeugte er sich noch einmal, drehte sich dann um und öffnete eine Tür, trat beiseite und nickte einem Lakaien in dem dahinterliegenden Speisezimmer zu, der daraufhin einen Stuhl für Jeanne zurechtrückte. Sie setzte sich, und Douglas, der sie erwartete, nahm am Kopf des kleinen, rechteckigen Tisches Platz.
    Der Raum war behaglich, kündete aber

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