Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ruf der Sehnsucht

Ruf der Sehnsucht

Titel: Ruf der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Ranney
Vom Netzwerk:
Raubvogels, der Beute erspäht hatte. Mit einem Blick zu dem Sessel neben dem ihren fragte er: »Willst du mir keinen Platz anbieten, Tochter?«
    »Ihr seid mir nicht willkommen.« Sie musste daran denken, wie Marie-Thérèse sie auf dem Steinboden in der Kapelle hatte hinknien und ihre Sünden bekennen lassen – einschließlich der Schande, die sie über ihre Familie gebracht hatte und dem Ungehorsam gegenüber ihrem Vater.
    »Das sehe ich.« Er klopfte mit seinem Spazierstock auf den Boden. »Aber es war mir ein Bedürfnis, mein einziges Kind zu besuchen.«
    »Woher wisst Ihr, dass ich in Schottland bin?«
    Er lächelte. »Von einer gemeinsamen Freundin.«
    »Justine.«
    Jeanne hatte noch nie so empfunden wie in diesem Augenblick. Ihr Abscheu war so übermächtig, dass sie fröstelte. Jetzt stand sie doch auf, blieb aber vor dem Sessel stehen.
    Ihr Vater zog eine Braue hoch und sah seine Tochter von oben herab an. »Bist du etwa immer noch bekümmert wegen dieses Vorfalls?« Offenbar standen ihre Gefühle ihr ins Gesicht geschrieben. »Was ich tat, tat ich nur zu deinem Besten. Du kannst doch nicht noch immer so naiv sein zu glauben, dass die Gesellschaft Bastarde akzeptiert, Jeanne.« Er gab dieses am Hof übliche Kichern von sich, das in dieser Umgebung noch affektierter klang.
    Wenigstens gab er nicht vor, sich geändert zu haben. Falls er sie je geliebt hatte, dann entweder, weil sie ihn amüsierte oder ihm ähnelte. Sie war ein perfektes Kind gewesen – bis sie vom Weg der Tugend abwich. Danach wurde sie ebenso achtlos weggeworfen wie ihre neugeborene Tochter.
    »Geht.« Es überraschte sie, dass sie gewagt hatte, das Wort auszusprechen, aber offensichtlich machte Hass sowohl entschlossen als auch stark.
    Seine freundliche Maske geriet ins Rutschen. »Ich dachte, man hätte dich im Kloster Respekt gelehrt.«
    »Man hat mich im Kloster alles Mögliche gelehrt, Vater, aber ich habe diese Lektionen zusammen mit den Kerkermauern hinter mir gelassen.«
    »Schade«, meinte er. »Sonst wärest du vielleicht eine gefügige Frau geworden. Männer mögen keine streitbaren Frauen, Jeanne.« Er ließ den Blick durch den dezent luxuriös ausgestatteten Raum wandern. »Aber du führst ja offenbar trotzdem ein angenehmes Leben. Bist du tatsächlich als Gouvernante hier oder doch als etwas anderes?«
    Jeanne spürte sich unter seinem anzüglichen Lächeln erröten und verwünschte sich dafür. Bevor ihr eine passende Erwiderung einfiel, deutete ihr Vater mit seinem Stock auf sie.
    »Ich will das Medaillon deiner Mutter haben«, verkündete er zu ihrer Überraschung. »Händige es mir aus, und ich werde dich nicht weiter belästigen.« Wieder lächelte er. »Dann werde ich wieder tot für dich sein – das ist dir doch am liebsten, habe ich recht?«
    »Warum wollt Ihr es haben?«
    »Weil es mir gehört.« Die freundliche Maske fiel herab, und plötzlich sah er alt aus. »Alles in Vallans gehörte mir. Du hast das Medaillon gestohlen.«
    »Ich hatte es versteckt, bevor Ihr mich fortschicktet«, erklärte sie dankbar für die Kraft, die sie in die Lage versetzte, amüsiert zu erscheinen. »Zusammen mit meiner Brille und meinem Tagebuch. Möchtet Ihr die beiden Sachen vielleicht auch haben?«
    »Ich will nur das Medaillon«, wiederholte er mit eisiger Stimme und ebensolchem Blick.
    »Nein.«
    Sie ging zum Kamin und betätigte den Klingelzug. Wortlos standen ihr Vater und sie einander gegenüber, bis der Majordomus erschien.
    »Der Gentleman möchte gehen«, erklärte sie Lassiter. »Bitte geleitet ihn hinaus. Sollte er Schwierigkeiten machen, ruft einen der Stallburschen zu Hilfe.«
    Ohne mit der Wimper zu zucken, verbeugte der Majordomus sich vor dem Gast und sagte ehrerbietig: »Wenn Ihr mir bitte folgen wollt, Sir.«
    Ihr Vater starrte sie an. »Ich will das Medaillon haben, und ich werde es bekommen, Jeanne.« Damit machte er auf dem Absatz kehrt.
    »Ich werde nicht zulassen, dass Ihr es mir nehmt«, sagte sie, als er den Raum verließ. Und als die Tür sich hinter ihm schloss, flüsterte sie: »Du hast mir schon zu viel genommen.«

Kapitel 20
    D ouglas stieg mit seiner Tochter auf den Armen aus der Kutsche. Margaret war unmittelbar nach dem Besteigen des Gefährts im Hafen eingeschlafen. Nachdem Douglas seinen Kutscher leise entlassen hatte, ging er, auf das entspannte Kindergesicht hinunterlächelnd, die Treppe zu seinem Haus hinauf.
    Margaret murmelte etwas Unverständliches und schmiegte ihre Wange an seine Brust,

Weitere Kostenlose Bücher