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Ruf der Sehnsucht

Ruf der Sehnsucht

Titel: Ruf der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Ranney
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wie sie es als kleines Kind getan hatte.
    In diesem Augenblick war es, als rissen die Vergangenheit und die Gegenwart ihn entzwei. Er wollte Jeanne sehen, wusste aber, dass es sicherer wäre, sie fortzuschicken und sein Leben weiterzuführen wie bisher.
    Vielleicht würde er sie ja gar nicht mehr so unwiderstehlich finden wie vor einem Monat. Vielleicht könnte er jetzt gar nicht mehr verstehen, weshalb er ihr wieder verfallen war.
    Nichtsdestoweniger musste er sich sehr beherrschen, um, als sein Majordomus ihm verschlafen öffnete, nicht als Erstes nach Jeanne zu fragen.
    »Ist alles in Ordnung, Lassiter?«
    »Ja, Sir, alles bestens. Willkommen daheim.«
    »Es ist schön, wieder hier zu sein«, sagte Douglas.
    Es ging doch nichts über feinfühlige Dienstboten, dachte er gleich darauf, als Lassiter auf dem Weg zur Treppe ohne irgendeinen Unterton sagte: »Die Lady hat ständig gefragt, wann Ihr zurückkommt, Sir.«
    »Wirklich?«
    Der Majordomus nickte, ging jedoch nicht weiter darauf ein, was Douglas sehr recht war. Er hätte nicht gewusst, was er als Nächstes sagen sollte.
    »Sie hatte einen Besucher, Sir«, berichtete Lassiter.
    Douglas horchte auf. »Wer war es?«
    »Ich weiß es nicht, Sir. Ein Franzose. Kein junger Mann, aber auch kein alter. Etwa so groß wie ich. Eine gepflegte Erscheinung.«
    »Wie lange war er hier?«
    »Nur ein paar Minuten. Die Lady schien nicht erfreut, ihn zu sehen, und er wirkte sehr aufgebracht, als er ging.«
    Brandidge Hall, das Gut in England, auf dem sein Vater aufgewachsen war, rühmte sich damit, eine Kapelle mit zwei Alarmglocken zu besitzen, und die glaubte Douglas in diesem Moment läuten zu hören.
    Er ging nach oben und legte Margaret auf ihr Bett. Das Kindermädchen erschien. Douglas beugte sich über seine Tochter und küsste sie auf die Stirn. »Gute Nacht, Meggie.«
    Sie rieb sich die Augen und schaute zu ihm auf. »Sind wir zu Hause, Papa?«
    »Ja. Es ist spät – schlaf weiter.«
    Sie nickte, und schon fielen ihr die Augen wieder zu.
    »Soll ich bei ihr bleiben, Sir?«, fragte Betty.
    »Ich denke nicht, dass sie heute Nacht noch einmal aufwachen wird. Es war ein langer Tag.«
    Auf dem Rückweg nach Edinburgh hatte starker Seegang geherrscht, doch der hatte Margaret ebenso begeistert wie das Sommergewitter, in das sie hineingerieten. Douglas war nicht ganz so euphorisch gewesen, denn das Schiff hätte leicht an den Felsen zerschellen können. Aber es hatte sich nur ein Segel gelöst und um den Hauptmast gewickelt, ein Schaden, der morgen in Leith behoben würde.
    Vom Zimmer seiner Tochter begab Douglas sich in sein eigenes, zündete eine Kerze an und legte seinen Rock ab.
    Er hatte nie auch nur erwogen, einen Kammerdiener einzustellen, und wenn er einen anstrengenden Tag hinter sich hatte und die Last der Verantwortung ihn zu erdrücken drohte, war er froh, dass niemand um ihn herumflatterte. Wobei er die Verantwortung für Margaret nie als Last empfand. Schließlich war nicht zuletzt sie es, um derentwillen er so hart arbeitete.
    Jeanne drängte sich in seinen Gedanken nach vorn. Sie brachte ihm seine Vergangenheit zurück, das Gefühl, jung zu sein und zu begierig auf das Leben, um Klugheit walten zu lassen. Jeanne war sein herrlicher Fehler, sein Laster, seine Unbesonnenheit.
    Er konnte ihr nicht widerstehen.
    Er löschte die Kerze und verließ sein Schlafgemach. Überraschenderweise schwieg sein Gewissen auf dem langen Weg zu ihrem Zimmer. Vor ihrer Tür angelangt, fragte er sich, ob Jeanne sie wohl verriegelt hatte. Da sie vom Personal keine Störung befürchten musste, wäre das ein Zeichen für ihn, sie in Ruhe zu lassen.
    Die Tür war nicht verriegelt. Er trat ein, schloss sie hinter sich und lehnte sich dagegen, wartete ab, wie er empfangen würde.
    Im flackernden Schein einer einzelnen Kerze auf dem Nachttischchen sah er Jeanne in ihrem fadenscheinigen Nachthemd im Bett sitzen, die Beine angezogen, die Arme um die Knie geschlungen.
    »Ich habe die Kutsche kommen hören«, sagte sie.
    »Ich war viel zu lange fort«, hörte er sich herausplatzen.
    Sie nickte nur, als hätte sie Angst, verletzt zu werden, wenn sie ihre Gefühle preisgäbe. Als junges Mädchen war sie nicht so ängstlich gewesen.
    Sie stand auf, kam zu ihm, nahm ihn bei der Hand und führte ihn zum Bett, stieg die Stufen hinauf, setzte sich auf die Kante und band langsam die enggefaltete Halsbinde auf.
    »Hast du mich vermisst, Jeanne?«, fragte er.
    Sie hielt inne und schaute ihm geradewegs

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