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Ruf der Sehnsucht

Ruf der Sehnsucht

Titel: Ruf der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Ranney
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dass man ihn sehen kann.«
    »Glaubt Ihr an Gott?«
    »Ja, das tue ich.« Jeanne hoffte, dass ihr Schützling sie nicht allzu eingehend zu diesem Thema befragen würde. Die Jahre im Kloster waren ihrer Frömmigkeit nicht zuträglich gewesen.
    »Und der Himmel ist auch unsichtbar?«
    »Fragst du wegen deiner Mutter?« Mit angehaltenem Atem harrte Jeanne der Reaktion des Kindes.
    Margaret schüttelte den Kopf. »Nein, wegen meiner Katze.«
    »Deiner Katze?« Diese Antwort hatte sie nicht erwartet. Im nächsten Moment erinnerte sie sich daran, dass das Mädchen auf dem Porträt in Douglas’ Arbeitszimmer mit einem Kätzchen dargestellt war.
    »Sie ist gestorben, Miss du Marchand«, erklärte Margaret in geduldigem Ton.
    »Das tut mir sehr leid. Davon wusste ich nichts.«
    »Es ist schon ein Jahr her.«
    Jeanne verschränkte die Arme und wartete.
    Sie wurde nicht enttäuscht. »Gibt es einen Himmel für Katzen und einen für Hunde und einen für Menschen?«
    »Vielleicht solltest du das lieber deinen Vater fragen«, schlug Jeanne vor, denn sie wollte nichts falsch machen.
    »Er hat gesagt, ich soll Euch fragen.«
    Also dann. »Ich denke, dass der Himmel für seine Bewohner sichtbar ist, aber wir auf der Erde können ihn nicht sehen. Und was die Tiere und die Menschen angeht, bin ich sicher, dass Gott das Himmelstor allen öffnet, die wir lieben, wer oder was sie auch sein mögen.«
    »Das hat Papa auch gesagt.«
    »Was du da tust, ist nicht gut.« Jeanne trommelte ärgerlich mit den Fingern auf die Schreibtischplatte.
    »Was tue ich denn?«
    Sie fiel nicht auf das unschuldige Lächeln des Kindes herein. »Uns beide gegeneinander ausspielen.«
    Margarets Reaktion auf diese Anschuldigung blieb aus, denn in diesem Moment ging die Tür auf und Douglas erschien.
    Sie hatte ihn ein paar Tage nicht gesehen, und wie immer beschleunigte sein Anblick ihren Herzschlag und machte ihr das Atmen schwer.
    Er war teuer, aber nicht übertrieben gekleidet. Mit der dezenten weißen Spitze unter den breiten Ärmelaufschlägen des hellbraunen Rocks, der weißen Halsbinde, der silberbestickten, schwarzen Seidenweste, der hellbraunen Kniehose, den weißen Strümpfen und den Laschenschuhen mit den quadratischen Silberschnallen entsprach er ganz dem Bild eines erfolgreichen Geschäftsmannes.
    Seit sie ihr Verbot ausgesprochen hatte, war er nicht mehr zu ihr gekommen, und sie redete sich ein, zutiefst dankbar dafür zu sein. Zumindest gelang es ihr unter diesen Umständen stundenweise, ihn als Vater ihrer Schülerin zu betrachten – bis sie ihn sah oder Margaret von ihm sprach, was diese häufig tat. Dann fiel ihre Illusion in sich zusammen wie ein Kartenhaus.
    Sie vermisste ihn. Sehr. Manchmal, wenn sie nachts aufwachte, starrte sie an die Decke und krallte die Finger in die Laken. Einmal, als sie kurz vor dem Höhepunkt aus einem erotischen Traum erwachte, schrie sie seinen Namen in ihr Kissen und schlug mit den Fäusten auf die Matratze ein, aber beides vermochte weder ihr Verlangen noch ihre Einsamkeit zu mindern.
    »Ich bin hier, um dich nach Leith mitzunehmen«, eröffnete er Margaret. »Es kommt ein Schiff aus dem Orient an, und ich weiß doch, dass du dir die Schätze gerne ansehen möchtest.«
    Margaret wandte sich Jeanne zu. »Bitte sagt ja, Miss du Marchand. Wir können den ganzen Nachmittag dort bleiben.«
    Eine Versuchung? Ein törichter Einfall? Vielleicht sogar ein gefährlicher. Jeanne schaute Douglas fragend an.
    »Ihr solltet das MacRae-Imperium gelegentlich besuchen, Miss du Marchand. Dann könnt Ihr unsere Gold- und Silberbarren besichtigen«, provozierte er sie.
    »Da gibt’s noch viel mehr als das.« Margaret stand auf und ging zu ihrem Vater. Dann drehte sie sich wieder Jeanne zu. »Ihr müsst Euch das Lager ansehen, Miss du Marchand. Es ist wie ein Märchenland. Darf ich mit?«
    Douglas’ Blick war siegessicher. Baute er darauf, dass sie unbesonnen – oder einsam – genug war, um seine Herausforderung anzunehmen? Törichter Mann. Sie war durchaus in der Lage, Douglas MacRae eine Absage zu erteilen.
    »Wir müssen unsere Lektionen durcharbeiten«, antwortete sie leise, aber bestimmt.
    Wenn er ihr jetzt den Befehl gab, Margaret zu begleiten, dann könnte sie sich nicht widersetzen.
Bitte, lieber Gott.
Aber Douglas schwieg, beobachtete sie, tauschte für den Moment die Rolle des Dienstherrn gegen die des Folterknechts.
    Befiehl es mir, und ich komme mit. Bitte mich, und ich bin als Erste an der Tür.
Er schwieg noch

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