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Ruf der Sehnsucht

Ruf der Sehnsucht

Titel: Ruf der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Ranney
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gelassen hatte – warum hatte sie ihm dann nicht erzählt, was geschehen war?
    Ich habe ihr Grab gesehen.
    Beim dritten Mal gab er seinem Impuls nach und ging den Flur hinunter zu ihrem Zimmer. Er legte die Hände an die Tür und wünschte sich mit aller Kraft, dass Jeanne wach wäre. Als hätte er Zauberkräfte, hörte er von drinnen gedämpftes Schluchzen.
    Traurigkeit verunsicherte ihn. War jemand wütend, konnte man ihn besänftigen – aber was für ein Mittel gab es gegen Kummer? Und wie sollte er wiedergutmachen, was er ihr angetan hatte?
    Er kehrte in sein Zimmer zurück, schloss die Tür hinter sich und wusste, dass er in dieser Nacht keinen Schlaf finden würde.

Kapitel 30
    J eanne erhob sich aus dem Sessel, in dem sie gesessen hatte, wischte sich die letzten Tränen aus den Augen und ging zum Fenster. Sie hatte in den vergangenen Stunden so viele vergossen, dass sie glaubte, nie wieder in ihrem Leben weinen zu können. Aber nicht Kummer war der Grund für diese Flut gewesen, sondern eine überwältigende Erleichterung. Jeanne zog die Vorhänge auf. Die Morgendämmerung näherte sich, schüchtern wie eine Braut ihrem Bräutigam.
    Unten lief die Straße vorbei, vor ihr lag der Queen’s Place, auf dem die Blumen ihre Köpfe der aufsteigenden Sonne zureckten. Vor einem der Häuser hielt eine Kutsche, und irgendwo weiter weg rumpelte ein Fuhrwerk über das Kopfsteinpflaster. Und über allem thronte das Edinburgh Castle, blickte gleichzeitig drohend und majestätisch auf seine Stadt herunter.
    Das Grundstück mit der großen Eiche konnte Jeanne von ihrem Zimmer aus nicht sehen, aber sie wusste, dass bereits daran gearbeitet wurde. Das Resultat würde ein Märchenpark sein, nur für Margaret geschaffen.
    Margaret.
    Jeannes Herzschlag kam ins Stottern.
    Sie öffnete die Finger, die sich in den Vorhang gekrallt hatten, und strich ihn glatt. Der Wunsch, ihre Tochter zu sehen, die sie all die Jahre betrauert hatte, wurde übermächtig. Sie wollte sich auf die Bettkante setzen und das schlafende Kind betrachten, bis sie ganz und gar begriffen hätte, dass es am Leben war.
    Leise öffnete sie die Tür zu dem Gemach der kleinen Prinzessin, die ihre Tochter war.
    Es war leer.
    Offenbar war Margaret noch bei Betty. Jeanne ging nach oben und klopfte bei dem Kindermädchen, das gleich darauf in Umhangtuch und Rüschenhaube öffnete. Betty musste nicht so früh aufstehen wie das übrige Personal, und Jeanne entschuldigte sich für die Störung.
    »Schläft Margaret noch?«, erkundigte sie sich.
    Betty blinzelte verwirrt. »Ich weiß es nicht, Miss. Sie ist irgendwann nachts in ihr Zimmer zurückgegangen.«
    »Aber dort ist sie nicht.«
    Kurz darauf standen die beiden Frauen nach einer gemeinsamen Überprüfung von Margarets Zimmer vor Douglas’ Schlafgemach.
    »Meint Ihr wirklich, wir sollen Mr. Douglas aus dem Schlaf reißen, Miss? Margaret kann doch irgendwo im Haus sein.«
    Jeanne schüttelte den Kopf und versuchte, die in ihr aufsteigende Panik zu zügeln. »Lasst alle, auch Stephens und die Stallburschen, sämtliche Ecken und Winkel des Hauses durchsuchen.«
    Eine Viertelstunde später war Margaret noch immer nicht gefunden.
    Lassiter verbeugte sich leicht vor Jeanne, die sich nicht von Douglas’ Tür weggerührt hatte. »Wenn Ihr auf Euer Zimmer zurückgehen würdet, Miss, dann kann ich den Herrn unterrichten.«
    Margaret war ihre Tochter, und Jeanne würde diese Aufgabe an niemand anderen abtreten, auch wenn sie dem Wiedersehen mit gemischten Gefühlen entgegenblickte.
    »Schon gut, Lassiter – das übernehme ich.«
    Er wackelte mit seinen Brauen, sah jedoch wortlos zu, wie sie energisch anklopfte.
    »Margaret ist verschwunden«, sagte sie ohne Einleitung, als Douglas öffnete.
    Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. »Was heißt
verschwunden?«
    »Sie war nicht mehr bei Betty, und in ihrem Zimmer ist sie auch nicht. Das gesamte Haus ist durchsucht worden. Wo kann sie sein?«
    Er musterte die hinter ihr aufgereihten Dienstboten, drehte sich um und ging ins Zimmer zurück. Sie folgte ihm, und dabei wurde ihr bewusst, dass sie sein Gemach noch nie betreten hatte.
    Der Raum, so lang wie das Haus, war luxuriös eingerichtet. Die Möbel waren ausladend und von pompöser Schwere. Eine Wand wurde von einem riesigen Bett beherrscht.
    Douglas holte ein Hemd aus dem Kleiderschrank, zog es an und stopfte es in seine Hose.
    »Warum hast du es mir nicht gesagt?«, fragte sie mit neuerlich erwachendem Zorn. »Warum

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