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Ruf der Sehnsucht

Ruf der Sehnsucht

Titel: Ruf der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Ranney
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hast du mir bei unserem Wiedersehen nicht gesagt, dass unser Kind lebt?«
    Er fixierte sie einige Sekunden lang nachdenklich und antwortete dann: »Meinem Dafürhalten nach hattest du sie weggegeben. Warum hast du sie nie erwähnt?«
    »Weil ich mich als ihre Mörderin betrachtete«, erwiderte sie lapidar. »Weil ich vergessen wollte, was geschehen war. Weil ich nicht wollte, dass du mich hasst.«
    Er musterte sie scharf, als wolle er den Wahrheitsgehalt ihres Bekenntnisses ergründen.
    »Warum hast du mich nicht gesucht?«
    »Weil ich dich für das hasste, was du Margaret angetan hattest, wie ich glaubte.«
    Jeanne wandte sich zum Gehen.
    »Ich komme gleich nach«, sagte er.
    Als sie sich ihm wieder zudrehte, fiel ihr Blick auf den Wandteppich hinter ihm, und sie traute ihren Augen nicht. Als Kind war sie von seinen bildlichen Darstellungen fasziniert gewesen, von der Prozession, die sich von einem goldenen Schloss auf einem Hügel ins Tal bewegte, und einer Prinzessin mit schwarzem Haar, die ein Einhorn am Zügel führte.
    »Der Mann, von dem ich ihn kaufte«, sagte Douglas, der ihrem Blick gefolgt war, »erzählte mir, der Gobelin hätte früher in Vallans gehangen.«
    Margaret nickte. »Er hing im Treppenhaus rechts von der monumentalen Treppe. Ich wusste nicht, dass etwas aus Vallans die Zerstörung überstanden hat.«
    »Ich habe die Tapisserie für Margaret gekauft. Ich wollte ihr wenigstens etwas von ihrem Erbe erhalten.«
    »Wo kann sie nur sein?«, fragte Jeanne ängstlich.
    »Ich weiß es nicht, aber wir werden sie finden.«
    »Dieses Verhalten passt gar nicht zu ihr«, meinte Jeanne. »Sie ist doch ein sehr braves Kind.«
    Er lächelte leicht, als er sich auf die Bettkante setzte, um seine Schuhe anzuziehen. »Oh, sie hat durchaus ihren eigenen Kopf. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie ihr Bett aus freien Stücken früher verlassen hat als unbedingt nötig.«
    Das konnte Jeanne auch nicht. Es kam öfter vor, dass das Kind zu spät zum Unterricht erschien, und morgens war Margaret allgemein mürrisch und schweigsam. Wenn allerdings schließlich ihr sonniges Gemüt durchbrach, war alle Übellaunigkeit vergessen.
    Jeanne und Douglas überprüften noch einmal alle Räume im ersten und im Erdgeschoss, konnten jedoch keine Spur von Margaret entdecken. Als Lassiter erschien, sprach Douglas kurz mit ihm, und als er zurückkam, wirkte er ernstlich besorgt.
    »Was ist?«, fragte sie alarmiert.
    »Eines der Fenster im Untergeschoss ist zerbrochen«, berichtete er. »Es sieht so aus, als wäre jemand eingestiegen.«
    »Du glaubst, jemand hat sie entführt.« Angst breitete sich in ihr aus wie ein Lauffeuer.
    »Ja.«
    »Mein Vater«, sagte sie.
    Douglas sah sie überrascht an.
    »Mein Vater«, wiederholte sie.
    Ich will das Medaillon haben, und ich werde es bekommen, Jeanne.
    Jeanne hatte das Gefühl, jede Sekunde ohnmächtig zu werden. Ihre Knie gaben nach, und sie sank auf einen Stuhl.
    »Dein Vater?«, fragte Douglas verständnislos. »Warum sollte er das tun?«
    »Weil er vor nichts zurückschreckt, um seinen Willen durchzusetzen.«
    Sie öffnete ihre Kette und reichte ihm das Medaillon. »Er hat mir angekündigt, dass er alles tun wird, um das hier zu bekommen.«
    Douglas wog das Schmuckstück in der Hand. »Es ist schwer – aber es ist ja auch aus Gold.«
    Jeanne nickte. »Ein Geschenk meiner Mutter.«
    Er schaute sie an und dann wieder das Medaillon, und sie wusste, was er dachte. »Es ist hässlich, nicht wahr?«
    »Was ist denn drin?«
    »Es ist mir nie gelungen, es zu öffnen, und ich wollte keine Gewalt anwenden, um es nicht kaputt zu machen.«
    »Darf ich es versuchen?«
    Sie nickte.
    Er verließ das Schlafzimmer. Jeanne folgte Douglas in die Bibliothek, wo er die Vorhänge aufzog und das Schmuckstück auf den Schreibtisch legte, sich hinsetzte und ein Instrument aus der Schublade nahm, das wie ein Tastzirkel aussah, dessen leicht nach außen und dann wieder nach innen gekrümmte Schenkel am Ende zusammenliefen.
    »Was ist das?«, fragte sie.
    »Eine Federzange. Meine Schwägerin Mary benutzt sie, um Splitter aus dem Fleisch zu ziehen«, antwortete er. »Ich habe sie mir irgendwann geborgt und nie zurückgegeben.« Er hob den Blick. »Ich nahm es mir immer wieder fest vor, vergaß es jedoch jedes Mal. – Vielleicht gab es einen Grund dafür«, meinte er mit einem Blick auf das Medaillon.
    »Sollten wir nicht lieber etwas anderes tun?«
    »Zum Beispiel?« Er war konzentriert bemüht, den

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