Ruf der Sehnsucht
richtigen Ansatzpunkt für sein Werkzeug zu finden.
»Margaret suchen.«
»Erst will ich wissen, warum dem Comte du Marchand so viel an diesem Schmuckstück liegt, dass er dafür mein Kind raubt.«
»Dafür haben wir keine Zeit«, drängte sie. »Wenn er sie wirklich in seiner Gewalt hat, ist sie in Lebensgefahr.«
Douglas hielt inne und schaute fragend zu Jeanne auf.
»Was glaubst du, wer gehofft hatte, dass das Kind tot zur Welt käme oder nach dem ersten Atemzug stürbe? Was glaubst du, wer Justine befahl, es zu ermorden?«
Douglas bearbeitete wieder das Medaillon, jetzt jedoch mit mehr Nachdruck. Plötzlich sprang der Deckel auf, und ein Stückchen Stoff wurde sichtbar.
Douglas reichte Jeanne das Medaillon über den Schreibtisch. »Schau du nach, was darin ist – schließlich gehört es dir.«
Als sie das Tüchlein auseinanderfaltete, kam ein Edelstein zum Vorschein.
»Was ist es?«, fragte Douglas.
Sie legte das Juwel in ihre offene Hand und streckte sie ihm hin. »Das ist der Somerville-Rubin«, sagte sie langsam. »Ich erinnere mich, dass meine Mutter ihn mir zeigte, als ich ein Kind war.« Damals war sie fasziniert gewesen von dem blutroten, herzförmigen Stein und seiner Geschichte. Sie würde ihn irgendwann erben, so wie ihre Mutter ihn geerbt hatte und deren Mutter von ihrer. Generationen von Somervilles hatten den kostbaren Edelstein für ihre Töchter aufbewahrt. »Ich dachte, er wäre verloren, wie alles andere in Vallans.« Sie lächelte freudlos. »Wenigstens weiß ich jetzt, warum mein Vater das Medaillon unbedingt haben will.«
»Ich dachte, er wäre reich.«
»Ein Mann wie mein Vater kann nie reich genug sein«, antwortete sie. »Es ist eine Sache des Stolzes. Er musste die edelsten Pferde haben, die luxuriösesten Palais. Alles, womit er sich umgab, erfüllte den Anspruch der Vollkommenheit.«
»Sogar seine Tochter.«
»Ja, sogar seine Tochter – bis zu jenem Sommer.« Sie blickte sinnend vor sich hin. »Seit dem Verlust von Vallans muss das Leben sehr schwer sein für ihn.«
Jeanne gab Douglas den Rubin, klappte das Medaillon zu und legte die Kette wieder an. »Ich bin schuld, dass mein Vater Margaret entführt hat. Wenn ich ihm mein Medaillon überlassen hätte, wäre es nie dazu gekommen.«
»Ich bin ein wohlhabender Mann, Jeanne«, gab Douglas zu bedenken. »Vielleicht ist Margaret auch deshalb entführt worden.«
Sie ließ sich nicht von ihrer Überzeugung abbringen. »Glaube mir – er hat sie.«
Er wickelte den Rubin in das Tuch und legte ihn in die Schreibtischschublade. »Dann werde ich ihn finden.«
Sie nickte und ging zu einem der Fenster hinüber. Er trat neben sie.
»Ich habe Angst«, sagte sie mit tränenerstickter Stimme.
Er legte die Hand auf ihre Schulter. »Ich auch.«
So standen sie eine Weile beieinander, das Bild eines besorgten Elternpaares, bis Jeanne den Zauber brach.
»Wie willst du es machen?«, fragte sie.
»Ich werde Suchtrupps zusammenstellen. Edinburgh ist eine große Stadt, und ich brauche viele Leute.«
»Ich komme mit.«
»Nein. Du musst hierbleiben.«
»Du kannst doch nicht von mir erwarten, dass ich tatenlos herumsitze.«
»Aber was ist, wenn eine Nachricht kommt? Dann muss ein Elternteil da sein.«
Das Argument überzeugte sie.
Kapitel 31
W o willst du die Leute finden?«, fragte Jeanne.
»In meiner Firma. Ich beschäftige mehr als siebzig Männer, und heute werden sie mir helfen, Margaret zu suchen.«
Jeanne fröstelte und schlang die Arme um sich.
Douglas, der es bemerkt hatte, führte sie zu dem Sessel am Kamin und sagte: »Ich werde ein Feuer anzünden lassen.«
Sie schaute ihn an, eine Mischung aus Angst und Hoffnung in den Augen.
Er nickte ihr zu. »Wir werden sie finden, Jeanne.«
Sie setzte sich hin, Haltung bewahrend, kerzengerade, die Hände gefaltet, die Miene unter Kontrolle, nur ein Muskel zuckte, als ob er verhindern wollte, dass ihre Lippen zitterten. »Bitte, bring sie zurück.«
»Das werde ich«, versprach er. »Das werde ich.«
In Leith angekommen, rief er alle Angestellten und Arbeiter auf dem Platz zwischen Fuhrpark und Lagerhauskomplex zusammen, den irgendjemand – vielleicht Henry – durch die Anpflanzung von Blumen hier und da freundlich gestaltet hatte. Die Blüten wiegten sich unbeschwert und ahnungslos im Morgenwind.
Als Douglas in die Gesichter seiner Männer schaute, wurde ihm bewusst, dass er sich bis zum heutigen Tag stets als einer von ihnen betrachtet hatte – doch jetzt bestand
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