Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ruf Der Tiefe

Ruf Der Tiefe

Titel: Ruf Der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis , Hans-Peter Ziemek
Vom Netzwerk:
Menge Fragen, auch zu seiner Adoption. Es war eine gute Idee, sich mit Tim zu treffen, und jedes Mal wenn er daran dachte, dann kam es ihm wie ein Rettungsring vor. Doch als er es Carima erzählte, war sie beunruhigt. »Was ist, wenn sie dir dort eine Falle stellen?«
    »Das wird Tim nicht zulassen«, sagte Leon. »Vergiss nicht, er ist so was wie mein Vater – würde dein Vater dich etwa verraten?«
    »Nein.«
    »Also. Siehst du. Zur Sicherheit könntest du ja mit dem Auto am Hinterausgang warten. Wenn wir irgendwas Verdächtiges bemerken …«
    »Okay. Das klingt schon besser.«
    Endlich wieder am Waipi’o Valley. Carima parkte das Auto und sie machten sich zu Fuß an den Abstieg. Leon sehnte sich nach der Schwerelosigkeit unter Wasser. Schon beim Aufstieg hatte er sich mit den fremden, etwas zu kleinen Schuhen eine Blase gelaufen, und obwohl er die Dinger inzwischen ausgezogen hatte, schmerzte immer noch jeder Schritt. Jetzt hinkten sie beide, Carima und er. Als Carima es merkte, lachte sie auf. »Kennst du das Märchen von der kleinen Meerjungfrau?«
    Leon schüttelte den Kopf und Carima erzählte es ihm. Die kleine Meerjungfrau tauscht aus Liebe zu einem Prinzen ihre Fischflosse gegen zwei Beine, nur so kann sie bei ihm sein. Doch fortan fühlt sich jeder Schritt für sie an, als müsse sie über Messerklingen gehen.
    Einen Moment lang vergaß Leon seine Schmerzen und er blickte Carima lächelnd von der Seite an. Ja, das war irgendwie ihr Märchen, Carimas und seines, nur in der Variante mit einem Meerjungmann und der Prinzessin. Carima im Arm zu halten, sie zu küssen … hatte er überhaupt jemals etwas Schöneres erlebt?
    »Wie geht das Märchen aus?«, fragte er. »Kriegt sie ihren Prinzen?«
    »Nein, er heiratet dann doch eine andere. Und die Meerjungfrau gibt sich dem Tod preis, wird zu Schaum auf den Wellen.«
    Das verdarb ihm ein wenig die Stimmung. Plötzlich erinnerte sich Leon daran, was Julian behauptet hatte. Blödsinn, völliger Blödsinn, wieso dachte er überhaupt noch an diesen Mist?
    »Du bist so still«, sagte Carima, nachdem sie eine Weile schweigend nebeneinander hergegangen waren.
    Leon zuckte die Achseln. »Ich habe gerade über unsere Freundschaft nachgedacht.«
    »Ja, äh … und?«
    »Vielleicht schaffen wir es, uns gegenseitig nicht zu verletzen. Oder nicht allzu sehr.«
    Carima hielt an und wandte sich ihm zu, ihre Augen blitzten. »Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder? Das ist alles, was dir dazu einfällt?«
    Leon zermarterte sich den Kopf nach etwas Schönem, das er ihr sagen konnte. Vergeblich. »Im Moment schon«, meinte er schließlich nur, und diesmal war es Carima, die in Schweigen versank. Oh Mann, jetzt hatte er ihr womöglich wehgetan! Er würde lernen müssen, solche Dinge besser auszudrücken.
    Die Sonne stand schon tief, aber es war immer noch heiß und das grüne Tal unter ihnen schien unendlich weit entfernt. Aus der Ferne konnten sie die Hütten der NoComs kaum erkennen, sie schmiegten sich perfekt in die Landschaft ein, waren ein Teil von ihr. Als sie endlich wieder auf dem Versammlungsplatz standen, brodelten im Haupthaus schon wieder die Töpfe, ein Duft nach Kokosmilch und Gemüse durchzog die ganze Siedlung.
    »Na ihr beiden?«, begrüßte Hope sie fröhlich und holte ihnen zwei bis zum Rand gefüllte Tonschalen. Mit einem Seufzer ließen sich Leon und Carima auf den Boden sinken. Leon schaufelte das Essen hastig in sich hinein und stellte die Schale wieder weg.
    Carima sah ihn immer noch nicht an. Und Leon verzweifelte fast daran, dass sie keine Verbindung von Kopf zu Kopf hatten so wie er und Lucy – Worte, die man aussprechen musste, waren so unvollkommen und so langsam, und ständig gab es die Gefahr, dass man sich falsch verstand.
    Es gefiel Leon gar nicht, dass Johnny Chang und Mo die Köpfe zusammenstecken und irgendetwas besprachen – er wettete, dass es dabei um ihn ging und dass es für ihn nichts Gutes bedeutete. Außerdem ließ ihm keine Ruhe, dass er nicht wusste, wie es seiner Partnerin ging. »Ich gehe noch einmal nach Lucy sehen, kommst du mit?«
    Insgeheim hoffte er, dass Carima Ja sagen würde. Vielleicht schafften sie es am Strand, noch mal so zu reden wie gestern. Es fühlte sich schrecklich an, dass sie ihn so völlig ignorierte.
    Doch Carima stöhnte nur und winkte ab. »Nee, du, ich laufe heute keinen Meter mehr. Geh ruhig zu deiner Lucy …«
    Deiner Lucy. Ja, verdammt, seine Lucy verstand ihn wenigstens! Ohne ein weiteres Wort ging

Weitere Kostenlose Bücher