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Ruf Der Tiefe

Ruf Der Tiefe

Titel: Ruf Der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis , Hans-Peter Ziemek
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alles andere als sicher, ob er ihnen gefallen würde.

Todeszonen
    Vielleicht dachten sie, dass die Neue mit ihrer Mutter zu weit entfernt saß, um zu hören, was sie untereinander redeten. Doch Carima hatte gute Ohren.
    »Hast du gesehen, was sie isst? Das ist Ananasjoghurt!«
    »Nee, oder?«
    »Doch. Schau auf das verdammte Etikett. Sam hat ihn ihr einfach gegeben.«
    »Ich wusste nicht mal, dass er Ananasjoghurt hat!«
    »Warum genau schaut ihr jetzt mich an? Mir hat Carima zwar gesagt, dass sie immer Joghurt zum Frühstück isst, nichts anderes, aber ich habe nur gegrinst und mir gedacht, tja, Mädchen, hier wird da nichts draus, außer, Patrick hat zufällig ein Paket in der Marlin oder der SeaLink mitgebracht.«
    Aus dem Augenwinkel beobachtete Carima Leon. Er hatte schweigend gelauscht, doch jetzt hob er den Kopf. »Ja, wirklich, das ist ein schwerwiegendes Problem«, sagte er todernst. »Vielleicht sollten wir dazu eine Diskussionsrunde an Bord einberufen.«
    Verblüfft blickten die anderen ihn an – und dann grinsten sie plötzlich alle.
    »Du hast recht, lass uns über was anderes reden«, meinte Billie. »Hab ich euch eigentlich schon erzählt, dass ich heute mit der Marlin fahre und eine Woche lang von oben aus trainiere? Ist alles mit Ellard besprochen. Shola braucht das mal wieder und hier kann ich ja sowieso nicht ins Wasser.«
    Danach gab es genug anderen Gesprächsstoff und irgendwelche Sonderwünsche von Tiefsee-Touristinnen waren kein Thema mehr.
    Danke , Leon , dachte Carima und tauchte den Löffel in ihren Joghurt. Sie bekam morgens wirklich nichts anderes runter. Es wäre auch okay gewesen, nur einen Tee zu trinken, doch dann hatte Kamuela ihr wortlos den Joghurt zugeschoben, und war sie vielleicht eine Heilige oder so was? Natürlich hatte sie das Ding genommen.
    Carima wagte noch einen Blick zu Leon hinüber und zufällig blickte auch er gerade in ihre Richtung. Als niemand hinsah, tauschten sie ein kurzes Lächeln, und Wärme stieg in Carima auf, breitete sich in ihrem ganzen Bauch aus.
    »Wenigstens gibt’s eine Süßwasserdusche – Salz klebt immer so auf der Haut«, sagte ihre Mutter und biss in das pappige, graubraune Brot, das es hier zum Frühstück gab. Woraus auch immer das Zeug bestand, Weizen war es vermutlich nicht. Julian hatte erzählt, dass die ARAC auch mit neuen Nahrungsmitteln experimentierte.
    »Ja, soweit ich mitbekommen habe, gibt’s hier an Bord eine Meerwasser-Entsalzungsanlage«, meinte Carima. Solange sie bei neutralen Themen blieben, schafften sie es manchmal, um einen Streit herumzumanövrieren.
    »Die Marlin fährt um elf Uhr ab – magst du bis dahin noch Wolfgang anrufen?«
    Mit ihrem Vater zu sprechen, hätte sie fast vergessen. Carima nickte abwesend. Um elf Uhr Abfahrt! Nur noch drei Stunden blieben ihr auf der Benthos II. Carima versuchte, ihre verworrenen Gefühle zu sortieren, und kam nicht weit. Denn in diesem Moment hoben alle Menschen um sie herum den Kopf und blickten hoch zu der Kuppel, die den Blick ins Meer freigab. Drei Torpedos, im Halbdunkel nur schemenhaft zu erkennen, zogen in ruhiger Formation durch das dunkle Wasser über sie hinweg. Waren das diese Gleiter, von denen in der ersten Versammlung die Rede gewesen war?
    Irgendwo flog ein Schott auf, Carima hörte die Stimmen einer Frau und eines Mannes, die aufgeregt diskutierten, dann platzten zwei Wissenschaftler in die Messe, die Frau rief etwas, was Carima nicht verstand, und dann wurden auf einem Monitor an der Wand zwischen Messe und Brücke plötzlich Bilder angezeigt.
    Es waren Fernsehbilder eines Nachrichtenkanals. Ein Strand unter postkartenblauem Himmel, doch Urlauber waren keine in Sicht, es liefen nur ein paar Gestalten in weißen Schutzanzügen herum, die Proben nahmen. Und das Meer … Carima schauderte. Es hatte sich rot verfärbt, nein, eher ein hässliches Rotbraun, wie geronnenes Blut. Jetzt brachten sie Luftaufnahmen, von einem Hubschrauber aus gefilmt, da sah man es besonders deutlich. Was war dort geschehen? Womöglich ein Tankerunglück – oder waren vielleicht Chemikalien ausgelaufen?
    Und die Farbe war nicht einmal das Schlimmste, sondern die vielen toten Fische. Silbrige Leiber überall auf dem Sand. Was auch immer das für eine Brühe war, darin lebte nichts mehr. Entsetzen und Trauer krochen in Carima hoch. Es war noch nicht lange her, dass sie all diese Tiere unter Wasser dabei beobachtet hatte, wie sie am Riff mit ihren Angelegenheiten beschäftigt waren.

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