Ruf der Vergangenheit
betäuben müsste?“
Tiara fluchte leise. „Sie sind bei weitem nicht so hilflos, wie Sie aussehen.“
„Vielen Dank. Wenn ich Sie nun zur Alarmanlage bitten dürfte.“ Katya achtete darauf, genügend Abstand zu Tiara zu halten. „Geben Sie den Code ein.“
Tiara stellte keine weiteren Fragen.
Katyas Lippen zuckten. „Haben Sie eben einen stillen Alarm ausgelöst? Macht nichts – solange kein lautes Signal ertönt, wenn ich die Tür öffne.“
„Warum kümmert Sie das überhaupt?“ Tiara hob eine perfekt geschwungene Augenbraue. „Ich bin doch schon wach.“
„Ich will dem Jungen keine Angst einjagen.“
Ein Seufzer. „Ich hatte gerade angefangen, Sie zu mögen, Katya. Und nun wollen Sie fliehen und bedrohen mich mit einem Injektor.“
„Öffnen Sie die Tür“, sagte Katya, denn Tiara wollte offensichtlich Zeit gewinnen.
Ohne ein weiteres Wort gehorchte die Telepathin. Kein Signal ertönte. Tiara ging hinaus auf die Veranda und stieg die Stufen hinab. Katya folgte ihr. Da Tag sich nicht mehr in unmittelbarer Gefahr befand, würde Tiara bestimmt gleich zur Waffe greifen. „Tut mir leid“, sagte Katya und drückte ab.
„Oh nein!“ Tiara fiel auf die Knie und zuckte unkontrolliert. „Wie unsportlich.“ Sie sprach langsam und abgehackt.
Katya steckte die Pistole in ihre Manteltasche und griff Tiara unter die Arme. „Ich weiß. Sie können später über mich fluchen.“ Jetzt musste sie die Halbbetäubte zu einem der Wagen bringen.
Tiara wollte sich wehren, doch der Schuss hatte ihr Nervensystem lahmgelegt. Was aber nichts daran änderte, dass sie größer und schwerer als Katya war. Die war schweißgebadet, als sie mit der Vergessenen endlich an dem Geländewagen angekommen war, der dem Haus am nächsten stand. Sie nahm Tiaras Hand und presste ihren Daumen auf das Schloss.
Die Tür schwang zur Seite.
Katya zog Tiara auf den Fahrersitz und legte deren Daumen auf das Zündschloss. Der Motor sprang schnurrend an.
„Allein bekommen Sie den nicht wieder in Gang“, murmelte Tiara, deren Blick schon wieder klarer wurde.
„Ich darf ihn bloß nicht ausgehen lassen.“ Katya legte die Shine -Mitarbeiterin auf den Boden und nahm ihr das Handy ab. „Ich habe die schwächste Dosierung benutzt – in weniger als fünf Minuten sind Sie wieder auf dem Damm. Bis dahin sorge ich dafür, dass die Schilde des Jungen halten.“
Tiara lächelte. „Dev wird Sie gehörig in den Hintern treten.“
Überrascht blieb Katya stehen. „Die Betäubung hat doch nicht etwa eigenartige Auswirkungen bei Vergessenen?“
„Zum Teufel, nein.“ Tiara sprach wieder deutlicher. „Aber allmählich macht mir die Sache Spaß.“
Katya schüttelte den Kopf angesichts dieser seltsamen Art von Humor, stieg in den Wagen und fuhr vorsichtig auf die Zufahrt zu. Nach etwa hundert Metern hielt sie unter einem großen Baum und blieb dort stehen. Niemand würde sie hier bemerken. Wenn es wirklich stillen Alarm gegeben hatte, waren sie bereits unterwegs.
Als sie spürte, dass Tiara sie bei dem Jungen ablöste, glitt sie zurück in ihren Kopf, bevor die Vergessene zum Angriff übergehen konnte. In null Komma nichts schossen zwei Wagen auf das Haus zu. Katya wartete, bis sie in die Zufahrt eingebogen waren, dann warf sie das Handy – samt darin befindlichem GPS-Sender – aus dem Fenster und fuhr, als ob der Teufel hinter ihr her wäre.
Das Navigationssystem führte sie aus der einsamen Gegend auf eine trotz der nächtlichen Stunde stark befahrene Hauptstraße. Nach zwanzig Minuten bog sie auf den mit Megalastern besetzten Parkplatz eines Diners ein. Die Luftkissengespanne hatten spezielle automatische Leitsysteme und fuhren meist drei bis vier Mal schneller als normale Fahrzeuge.
Mit einem tiefen Seufzer stellte Katya den Motor aus. Sie war gestrandet. Aber wie sie Dev kannte, hatte der Wagen ein Ortungssystem. Sie legte den Injektor unter den Sitz, damit niemand zu Schaden kam.
Die Gespräche verstummten, sobald sie das Lokal betreten hatte, aber jetzt konnte sie nicht mehr zurück. Tiara hatte wahrscheinlich schon die Verfolgung aufgenommen. Katya straffte die Schultern und sah sich um. Die meisten Kunden waren Männer.
Wieder brach ihr der Schweiß aus. In das Fahrzeug eines vollkommen Fremden zu steigen, war nicht besonders schlau, aber ihr blieb keine andere Wahl. Und sie war eine Telepathin. Niemand würde sie je wieder zu einem Opfer machen. Sie lächelte zaghaft und trat an den Tresen.
„Soll ich dir ’nen
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