Ruf der Vergangenheit
heraus, die sie aus New York mitgenommen hatte, und schüttete eine spezielle Mischung in die Kanne.
Noch einmal umrühren – fertig.
Es würde ihnen nicht schaden, sondern nur ihre Reaktionsfähigkeit herabsetzen, und mit ein bisschen Glück würden sie einschlafen. Sie hätte eine höhere Dosis nehmen können, wagte es aber nicht – die Vergessenen hatten mediale Gene … ohne es zu wollen, hätte sie damit Schaden anrichten können, deshalb steckte sie den Rest der Medikamente wieder ein.
Sie saß schon wieder in ihrem Zimmer und tat, als würde sie lesen, als sich die Tür einen Spalt öffnete. „Was war denn los?“, fragte sie Tiara.
„Ein Albtraum.“ Wer schlecht geträumt hatte, erklärte die Telepathin nicht. „Wollte Ihnen nur Bescheid sagen, damit Sie sich keine Sorgen machen.“
„Vielen Dank.“
Dann wartete Katya wieder.
In der nächsten Stunde hörte sie Schritte und gedämpfte Unterhaltungen. Jemand ging zur Küche und wieder ins Wohnzimmer. Etwa um halb zehn fiel eine Tür ins Schloss – einer der drei war ins Bett gegangen. Katya wartete weitere zwanzig Minuten, dann warf sie die Decke zur Seite und stand auf.
31
Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, als sie die Tür öffnete, Mantel und Schuhe hätten ihre Absicht sofort verraten. Und sie wollte auf keinen Fall wieder eingesperrt werden. Geduckt schlich sie durch die Diele und sah durch die offene Tür in ein Zimmer.
Dev.
Sein Kopf lag auf dem kleinen Schreibtisch, sein Haar war zerzaust. Sie hätte weitergehen sollen, aber sie musste erst zu ihm. Sein Puls schlug kräftig. Die Erleichterung war wie warmer Regen auf der Haut.
Sie küsste ihn auf die Wange, die rauen Stoppeln luden zum Verweilen ein, aber sie riss sich los. Beim Hinausgehen entdeckte sie die Betäubungspistole im Halfter und blieb stehen. Sie hatte nicht die Absicht, jemanden zu verletzen, aber falls Tag oder Tiara aufwachten, würde sie etwas zur Abschreckung brauchen. „Sei nicht sauer“, flüsterte sie und nahm die Waffe an sich.
Tag saß auf der Couch im Wohnzimmer, ein Science-Fiction-Streifen flimmerte auf dem Bildschirm. Tags Augen waren geschlossen und sein Kopf lag auf der Rückenlehne.
Auf dem Tisch stand ein leerer Kaffeebecher.
Tags vollkommene Bewegungslosigkeit erschreckte Katya, und sie legte ihre Finger an seinen Hals.
Er stöhnte und drehte sich auf die Seite.
Wie eingefroren wartete sie darauf, dass er aufwachte und Alarm schlug. Aber nach einigem Hin und Her schlief er wieder fest. Erleichtert vergewisserte sie sich mit ihren geistigen Sinnen, dass es dem Kind gut ging. Tags Schilde hielten – er verfügte über große telepathische Kräfte. Da sie nicht wusste, ob die Schilde auch hielten, wenn er noch tiefer in die Bewusstlosigkeit abdriftete, legte sie eigene Schilde darüber. Dann durchsuchte sie unter tausend Entschuldigungen Tags Brieftasche und nahm das Bargeld heraus.
Die nächste Hürde war die Alarmanlage.
„Hilf mir“, flüsterte sie, ohne zu wissen, wen sie darum bat.
Eine Tür auf dem Flur ging auf.
„Tag?“, fragte Tiara mit schläfriger Stimme. „Ich dachte, ich hätte –“ Sie erstarrte, als sie den Injektor in Katyas Hand sah. Die schönen braunen Augen, die in vielen Schattierungen von Gold und Bernstein schimmerten, erfassten beunruhigt den betäubten Mann auf dem Sofa.
„Es geht ihm gut“, sagte Katya. „Ich wollte keinem etwas tun – ich will nur fort.“
„Das kann ich nicht zulassen“, sagte Tiara leise, die Arme locker an der Seite.
Katya war auf der Hut. Tiara musste irgendwo eine Waffe haben. Außerdem war sie Telepathin. Mit ihren eigenen geistigen Kräften blockte Katya den Angriff ab. Patt. „Wissen Sie was, Tiara?“
„Was denn?“
„Wenn ich diese Betäubungspistole auf jemand anderen richte“, flüsterte Katya, „sie zum Beispiel Tag an den Kopf halte, werden Sie alles tun, was ich will.“
Tiara hielt den Atem an.
„Aber bitte zwingen Sie mich nicht dazu.“ Das war eine Bitte. „Ich möchte keine solche Bestie werden.“
„Damit kommen Sie nicht durch.“ Tiara änderte ihre Strategie. „Dev wird Sie wieder einfangen.“
Katya lächelte zaghaft. „Dann können Sie mich ja ruhig gehen lassen.“
„Katya, ich weiß doch, dass Sie nicht auf mich schießen werden“, sagte Tiara ohne Umschweife. „Das hat doch alles keinen Sinn.“
„Die Waffe ist nicht stark eingestellt“, sagte Katya. „Wollen Sie den Jungen wirklich schutzlos zurücklassen, wenn ich Sie
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