Ruf der verlorenen Seelen
als hätte es Feuer gefangen.
Sie beendete das Gespräch und warf den Apparat aufs Kissen.
Was war das denn? Warum rief jemand vom FBI sie an?
Das Blut rauschte in ihren Ohren, als sie den Zettel aus der
Tasche holte und den Namen noch einmal las.
Sara Priest.
Wer zum Teufel war Sara Priest? Und wieso rief sie Violet
an?
Violet dachte an all die Gesetzeshüter, mit denen sie im
Laufe des letzten Jahres zu tun gehabt hatte.
Nach der SchieÃerei auf dem Ball hatte sie bei der Polizei
ausgesagt und mit so vielen Kriminalbeamten gesprochen, dass
sie gar nicht alle zählen konnte. Sie hatte sogar mit den Strafverfolgern
gesprochen, die mit dem Fall des anderen Serienmörders
betraut waren, der lebend gefasst worden war.
Aber mit dem FBI hatte sie nie zu tun gehabt. Und auch
nicht mit einer Frau namens Sara Priest.
Sie überlegte, ob sich das FBI jetzt möglicherweise um den
Fall kümmerte. Aber warum sollte es? Der eine Täter saà für
den Rest seines Lebens hinter Gittern, der andere war tot.
Was also war passiert? Waren weitere Opfer gefunden worden?
Noch mehr verschwundene Mädchen, vergraben und vergessen?
Aber das hätten sie doch bestimmt in den Nachrichten
gebracht.
Dann rief die Frau vielleicht wegen einer anderen Sache an,
die noch nicht so lange zurücklag.
Schnell ging Violet in Gedanken alles durch, was dagegen
sprach.
Sie hatte von einer Telefonzelle aus angerufen.
Anonym.
Niemand hatte sie gesehen.
Es musste um den Fall mit dem Serienmörder gehen.
Wieder klingelte ihr Handy und riss sie aus ihren Gedanken.
Mit einem Finger zog sie das Handy zu sich heran, als wäre es
gefährlich, das Ding zu berühren. Sie spähte auf das Display..
Wieder dieselbe Nummer.
Violet hatte das unangenehme Gefühl, etwas Wesentliches
übersehen zu haben.
Kurz überlegte sie, ob sie rangehen sollte, um ein für alle
Mal Klarheit zu haben. Aber sie konnte sich nicht überwinden
und schob das Handy von sich.
7. Kapitel
Als Jay endlich auftauchte, konnte Violet es kaum erwarten,
das Haus zu verlassen. Nach der Warterei am Nachmittag war
sie ein nervliches Wrack; die ganze Zeit hatte sie Angst gehabt,
das FBI könnte sich noch mal melden. Das Handy hatte sie
ausgeschaltet, aber es gab ja immer noch das Festnetztelefon.
Es klingelte zweimal, und jedes Mal zuckte sie zusammen,
voller Panik, wer am anderen Ende sein könnte.
Zum Glück war es beide Male nicht die mysteriöse Anruferin
vom FBI. Einmal rief ihr Vater an und sagte, er würde später
von der Arbeit kommen. Typisch. Beim zweiten Mal war es
Jay, der Violet auf dem Handy nicht erreichen konnte und ihr
sagte, er würde sie um sechs abholen.
Violet wunderte sich darüber, dass er mit ihr ausgehen wollte.
Sie hatte gedacht, sie würden zu Hause bleiben, um »Hausaufgaben
« zu machen. Aber Jay hatte offenbar etwas anderes vor.
Sie wartete drauÃen, als er vorfuhr.
Er sprang aus dem Wagen und hielt ihr die Beifahrertür auf.
Violet schaute ihn argwöhnisch an, er benahm sich wirklich
seltsam.
»Alles klar?«, fragte er, als sie im Auto saÃen.
»Ich weià nicht«, sagte sie. »Sag du's mir. Wo geht es hin?«
Jay grinste. Er versuchte, ganz lässig zu wirken, aber sie sah
ihm an, dass er fast platzte. »Das ist eine Ãberraschung.«
»Echt? Was denn?« Sie spürte, wie die Anspannung von ihr
abfiel. Jay konnte sie so wunderbar ablenken.
»WeiÃt du, was eine Ãberraschung ist, Violet? Wenn ich es
dir jetzt sage, ist es keine mehr.«
»Darf ich raten?«, fragte sie. Auf einmal war sie aufgeregt.
Violet konnte Ãberraschungen nicht leiden. Weihnachten
und Geburtstag waren für sie als Kind die reinste Folter gewesen.
Immer wieder sagte sie ihren Eltern, was sie haben wollte
und schrieb ellenlange Wunschzettel. Und dann bettelte und
flehte sie und suchte nach den Geschenken. Stunden ihrer
Kindheit hatte sie damit verbracht, Schränke zu durchwühlen
und unter Betten zu suchen, und jedes Mal musste sie feststellen,
dass ihre Eltern schlauer waren als sie.
Ein ganz kleines bisschen hatte sie sich sogar vor den Weihnachtstagen
gefürchtet, weil sie wusste, dass sie es wieder nicht
schaffen würde, geduldig zu warten, bis der dicke Mann im
roten Mantel auftauchte.
Aber heute Abend war es anders. Heute war sie mit Jay zusammen
und da konnte sie fast alles ertragen, sogar Ãberraschungen.
Er dachte über ihre Frage
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