Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)

Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)

Titel: Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanya Carpenter
Vom Netzwerk:
dort nicht vielleicht noch ein weiterer Hinweis fand, der auf die Pazifikinsel hindeutete.
    Dabei fiel mein Blick eher zufällig auf sie. Aber ihr Anblick stoppte meine Schritte und lenkte meine Aufmerksamkeit von Dracon auf die Wartezone am Eingang. Eigentlich war es zunächst gar nicht ihr Anblick. Als erstes nahm ich ihren Duft wahr. Einen seltsam vertrauten Geruch, der Emotionen in mir wachrief, die ich nicht einordnen konnte. Und dann erblickte ich sie. Sie hatte die Züge eines Kindes. Obwohl sie bereits eine erwachsene Frau war. Blond, mit blauen Augen und einem zierlichen, aber vom Straßenleben gestählten Körper. Ich betrachtete sie eingehend, sog ihren Duft ein. Sie war etwa Anfang zwanzig. Und ihrer äußeren Erscheinung nach zu urteilen, lebte sie schon eine ganze Weile auf der Straße.
    „Mel?“
    Ich ignorierte Osiras fragende Stimme, überquerte stattdessen den Bahnsteig mit der Absicht, diese fremde Frau anzusprechen.
    „Hallo.“
    Sie blickte mich mit großen Augen an. Fragend, unsicher. Fühlte sie, dass ich nicht menschlich war? Unwahrscheinlich, wenn ich getrunken hatte, verriet normalerweise nichts den Vampir in mir, solange ich es nicht wollte.
    „Was macht eine hübsche junge Frau wie du allein an einem solchen Ort? Zu dieser Zeit.“
    Ich tadelte sie. Beobachtete, wie sie darauf reagierte. Trotzig, wie ein Straßenkind.
    „Was geht dich das an? Ich kann tun, was ich will. Das hast du mir schon gar nicht zu verbieten.“
    „Wer will dir denn etwas verbieten?“, fragte ich amüsiert. „Ich habe nur eine einfache Frage gestellt.“
    „Hau ab. Ich machs nich mit Frauen“, blaffte sie und schniefte vernehmlich.
    Sie ging also auf den Strich. Damit hatte ich gerechnet. „Ich habe nicht die Absicht, deinen Körper zu kaufen. Aber ich würde dich gern zum Essen einladen.“
    „Verpiss dich.“
    Ich seufzte innerlich. Also gut, wenn sie es so wollte. Dann würde ich eben mein dunkles Erbe nutzen. Ich fixierte sie mit dem Feuer der Unsterblichkeit in den Augen und ließ meine Stimme warm und dunkel klingen.
    „Komm mit mir, Kleines. Eine warme Mahlzeit wird dir nicht schaden. Und ich verspreche dir, dass ich dich in Ruhe lasse.“ Sie zögerte immer noch. „Es ist allemal besser, als sich für ein paar Dollar von diesen schmutzigen Typen betatschen zu lassen, nur um genug Geld für einen Teller Suppe zu haben. Oder für den nächsten Schuss.“
    Das schockierte sie, weil sie nicht damit rechnete, dass man es ihr schon ansah. Ein Sterblicher hätte es auch nicht bemerkt, so weit war sie noch nicht. Aber meine feinen Sinne nahmen die Veränderungen bereits wahr. Das Zittern, die Schatten unter den Augen, der unruhige Blick, eine leichte Graufärbung der Haut.
    „Und Sie fassen mich auch ganz bestimmt nicht an?“, fragte sie misstrauisch.
    „Ganz bestimmt nicht, solange du es nicht willst. Und nun, sagst du mir deinen Namen?“ Ich wusste ihn längst.
    „Ich heiße Ivanka.“
    Lächelnd bot ich ihr meinen Arm. Natürlich ergriff sie ihn nicht. Aber sie folgte mir, wie ein kleines Hündchen. Wir gingen ins Untergeschoss des Grand Centrals, wo ich sie ein Restaurant aussuchen ließ. Sie durfte bestellen was immer sie wollte, ich begnügte mich mit einem Glas Bordeaux. Das Essen war für sie so berauschend, wie für mich ein Schluck an ihrem Hals gewesen wäre. Und sie trank zuviel Wein. Ich ließ sie gewähren, hatte aber nicht vor, es auszunutzen. Sie war kein Opfer. Ich wollte sie als meine Gefährtin. Warum, konnte ich mir selbst nicht erklären. Irgendwie war da eine Verbindung, etwas Vertrautes. Ich konnte mich einfach nicht abwenden und fortgehen, als hätte ich sie nie gesehen. Es war keine sexuelle Begierde, allerhöchstens ein Hauch von Sinnlichkeit, aber ich hatte kein Interesse an ihrem Körper. Ich wollte einfach nur, dass sie ein Teil von mir wäre. Wie eine Tochter – eine echte Tochter. Franklin würde den Verstand verlieren, wenn er davon hörte.
    Ivanka erzählte mir von ihrem Zuhause in Kanada. Ein kleines Kaff nahe Toronto. Dass ihr Stiefvater sie geschlagen habe und sie deshalb mit fünfzehn abgehauen war. Die alte Story. Es war hart auf der Straße, aber sie kam zurecht. In New York wollte sie nicht bleiben. Sie war nur auf der Durchreise. Ihr eigentliches Ziel war Florida. Da war es immer schön warm. Dort wollte sie sich einen Job suchen, von den Drogen wegkommen und neu anfangen. Vielleicht hätte sie es geschafft. Aber meine Pläne für sie waren andere. Sie

Weitere Kostenlose Bücher