Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)
wachte, war nichts Neues.
„Ah, ein Tropfen deines Blutes wird nicht mit allem Gold dieser Erde aufzuwiegen sein, wenn der Tag kommt“, sagte er jetzt dicht an meinem pochenden Puls.
Schon durchdrangen seine spitzen Zähne mein Fleisch. Ich keuchte, wollte mich wehren, konnte es aber nicht, weil sein Bann einfach stärker war. Er ließ nach wenigen Schlucken von mir ab.
„So süß und kostbar.“ Seine Zunge leckte über meine Kehle, damit die Wunden sich schlossen. „Das bleibt unser Geheimnis, nicht wahr? Damit es uns nicht genauso ergeht wie meinem dummen Bruder und deiner törichten kleinen Tochter.“
Er verschwand wie ein Schatten. Mit zitternden Gliedern blieb ich in der Nische stehen. Kurz darauf erklangen Schritte. Kortigu kehrte ebenfalls zur großen Halle zurück. Zolut befand sich schon wieder in seinem Gefolge. Ich wartete noch einige Minuten, ehe auch ich wieder in die Halle hinauf ging. Betend, dass niemand mir ansehen möge, was gerade geschehen war, weil ich mich davor fürchtete, als nächste auf der Anklagebank zu stehen. Ich versuchte, das Geschehene aus meinem Geist so vollständig zu verdrängen, dass auch Lucien es nicht in meinen Gedanken lesen konnte. Eine schwierige Sache, aber ich wusste, dass erfahrene Vampire in der Lage waren, anderen nur das zu zeigen, was sie wünschten. Ich hoffte, das würde auch mir heute gelingen.
Lucien hatte Leonardo in der Halle zurückgelassen, damit er dort auf Melissa wartete. Er war noch einmal zur Königin gerufen worden. Allein. Nicht ganz ungefährlich. Was hatte sie in Melissas Geist gesehen? Wie viel wusste sie? Er musste sehr vorsichtig sein, um ihr Misstrauen nicht zu wecken.
Diesmal war Kaliste allein, als er den Audienzsaal betrat. Von ihrer Leibgarde keine Spur. Doch er wusste, würde er auch nur den Versuch unternehmen die Königin anzugreifen, wären die Ghanagouls sofort zur Stelle, um ihn in Stücke zu reißen.
Misstrauisch nahm er das Glas aus Kalistes Hand entgegen. Blutwein, so exquisit wie kein anderer. Sie lächelte ihn an, während sie ein weiteres Glas für sich selbst füllte. Der hellblaue Stoff ihres Kleides verbarg kaum etwas von ihrem Körper. So offenherzig zeigte sie sich nicht ohne Grund.
„Du hast dich sehr verändert, Lozerian, mein Dunkler Sohn. Als wir uns das letzte Mal sahen, musste ich dich in Ketten legen lassen, um das Tier in dir zu bändigen. Und nun bist du wahrlich ein Lord.“
Lucien fletschte die Zähne, antwortete aber nicht. Er hatte die Bilder jener Zeit noch sehr klar vor Augen. Der Tod seiner Frau durch seine eigene Hand hatte ihn in den Wahnsinn getrieben. Erst die Ketten der Königin konnten ihn bändigen. Geheilt aber wurde er von einem anderen. Saphyro nahm sich seiner an, lehrte ihn, pflegte seine seelischen Wunden. Ohne seinen treuen Freund und Gefährten würde er heute nicht mehr leben. Sie hatten viele Jahre das Gesetz missachtet, das Blut der Lords nicht zu mischen. Kaliste ließ sie gewähren, um des Lebens ihres jüngsten Sohnes willen. Lucien hatte nicht sterben dürfen. Dieses Geheimnis wäre die beste Verteidigung gewesen, um Melissas Tochter zu befreien. Doch es musste ein Geheimnis bleiben, weil es Kalistes Autorität gefährdet hätte. Darum war er hier. Damit sie sicher sein konnte, dass er schwieg. Ansonsten würde er diesen Raum vermutlich nicht lebend verlassen.
„Sag, muss ich mir Sorgen machen um deine Brut?“
Er schluckte hart. „Nein, meine Königin. Sicher nicht.“
Sie nickte zufrieden, nahm auf der Ottomane Platz und bot ihm an, sich zu ihr zu setzen. Ein Träger rutschte von ihrer Schulter und gab den Blick auf einen schneeweißen Busen frei. Er bemühte sich, es ebenso zu ignorieren wie sie.
„Ich spüre Veränderungen, Lozerian. Ich weiß von den beiden Engeln, die jetzt blutige Tränen weinen. Und ich spüre, wie sich der Mond immer weiter der Sonne nähert. Hatten wir das nicht schon einmal? Man könnte wohl sagen, es liegt deiner Familie im Blut, nach der Ewigen Nacht zu suchen. Auch wenn ich bis heute nicht weiß, wie du es geschafft hast der Sonne zu trotzen.“
„Das, meine Königin“, wagte er zu sagen, „bleibt auch weiterhin mein Geheimnis.“
Kaliste winkte ab. „Ja, behalte es für dich. Das ist auch besser so. Ich will es nicht wissen, denn mich dürstet nicht nach Sonnenlicht. Und ebenso wenig nach ewiger Finsternis. Wenn dieses Geheimnis gelüftet würde, müssten wir vermutlich fürchten, dass bald jeder leichtsinnige Jungvampir den
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