Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)
dass es der einzige Weg für disch ist. Du ’ast Armand ja so geliebt.“
Sie brach ab, als ihr Blick auf Lucien fiel, der besitzergreifend seine Hände auf meine Schultern legte.
„Richtig, sie ist Armands Tochter. Aber im Augenblick weilt sie in meiner Gesellschaft.“
Luciens Stimme klang kalt, endgültig. Als gehörte ich ihm. Ich sah aus den Augenwinkeln Lemains Lächeln und den Blick, den er uns zuwarf. Mir lief ein kurzer Schauer über den Rücken. Als Sterbliche war ich zur Spielfigur zwischen den Vampiren geworden. Als Unsterbliche wollte ich das um jeden Preis vermeiden.
Auch Leonardo wurde vorgestellt und von den beiden herzlich begrüßt.
„Ein würdiger Gefährte“, meinte Lemain lauernd. „Im Gegensatz zu Dracon. Man hört ja nichts Gutes in diesen Zeiten über den Dunklen Engel. Ist es wahr, dass er nach der Legende sucht?“
„Man hört so vieles, Lemasir. Ein Funken Wahrheit ist meist darin. Doch du solltest wissen, dass man nicht alles glauben kann, was man hört.“
Es behagte mir nicht, dass offenbar auch schon andere Vampire von den Engeln und dem Serum gehört hatten. Das könnte noch mehr Leute zu Übergriffen veranlassen. Wie viel wusste Lemain? Und beschränkte es sich auf unsere Blutlinie, oder hatten andere ebenfalls davon Wind bekommen? Ich bekam eine Gänsehaut.
Meine Aufmerksamkeit wurde abgelenkt, als ein junger Mann umgeben von einer Schar Halbwüchsiger die Halle betrat. Mir blieb vor Staunen der Mund offen stehen. Kindvampire? Wie sollten die unsere Natur ertragen? So was konnte doch gar nicht sein. „Wer ist das?“, fragte ich Lucien.
„Auch ein Sohn von Kaliste. Saphyro. Der Kind-Vampir. Er war bei der Wandlung älter, als er aussieht, aber dennoch ist er einer der jüngsten Unsterblichen, wenn man von seinen Kindern absieht. Doch die sind ohnehin nicht für die Ewigkeit erschaffen.“
„Seine Kinder? Du meinst, das sind wirklich alles Vampire?“
„Bis auf die beiden kleinen Mädchen in ihrer Mitte. Sie sind zu jung für sinnliche Freuden. Er wird ihnen noch Zeit lassen. Keines seiner Kinder wird vor dem sechzehnten Lebensjahr verwandelt, die meisten sogar erst sehr viel später. Sonst wären sie zu schwach, um die Transformation zu überstehen.“
„Er macht Kinder zu Vampiren?“
Lucien lächelte über meine schockierte Reaktion. „Er holt sie von der Straße. Die Hoffnungslosen, die Verlassenen. Gibt ihnen ein Heim, Essen, Kleider, Bildung. Alles, was sie sich wünschen. Doch wenn sie die nötige Reife erlangt haben …“ Er ließ den Satz unvollendet, ich verstand auch so. „Saphyro achtet darauf, dass seine Kinder immer jünger sind als er. So ist es leichter für ihn, seine Position zu halten. Sie sind ihm alle hörig soweit ich weiß.“
Ich beobachtete diesen jungen Mann, wobei diese Bezeichnung schon fast übertrieben war. Ein Jüngling war er noch, kaum zu sagen wie alt genau. Ich hätte ihn vielleicht auf achtzehn oder neunzehn geschätzt. Tatsächlich war er aber bei seiner Wandlung zweiundzwanzig Jahre alt gewesen, wie mir Lucien erzählte. Es fiel schon schwer, überhaupt zu entscheiden, ob dieses exotische Geschöpf ein Mann oder doch eher eine muskulösere Frau war. Mit glatter südlich-dunkler Haut, weichen Gesichtszügen, langen schwarzen Haaren und Onyxaugen, die im Augenblick sehr sanft wirkten, aber auch ungemein geheimnisvoll mit der kunstvollen Kohlestift-Umrahmung. Ganz so, wie es früher in Ägypten üblich gewesen war. Ich konnte mir gut das Feuer darin vorstellen, wenn er jagte. Er war schön. Makellos. Sein Körper perfekt, aber eben noch der eines jungen Burschen, feingliedrig und androgyn.
Er bemerkte meine Blicke. Kühl lächelte er mich an. Dann beugte er sich zu dem Knaben neben sich hinunter, ohne mich dabei aus den Augen zu lassen. Er war ihm sehr ähnlich. Die gleichen dunklen Augen, das gleiche schwarze Haar. Sie hätten im sterblichen Leben Brüder sein können. Aber der Junge wirkte im Körperbau noch zarter als der Vampirlord. Nur seine Augen und hauchfeine Linien in seinem Gesicht zeigten, dass er schon lange vor seiner Wandlung kein Kind mehr gewesen war. Aber wie lange war man in diesen Zeiten, an diesen Orten damals Kind gewesen? Saphyro legte seine Hand auf die Wange des Jungen, strich mit dem Daumen über dessen Lippen und senkte dann den Mund zum Kuss. Ich wandte mich ab.
„Ramael, sein Favorit“, flüsterte Lucien mir zu.
„Favorit?“
„Ramael war sein erster Gefährte. Er ist beinahe ebenso
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