Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)
lange ein Vampir wie ich. Fünftausend Jahre und er hat ihn nicht einen einzigen Tag verlassen. Egal, wie viele Kinder Saphyro zu den seinen macht, Ramael ist der einzige, den er wirklich von ganzem Herzen verehrt.“
„Dann sollte er die anderen Kinder in Ruhe lassen oder sie wenigstens gnädig töten, wenn ihn schon nach Kinderblut dürstet. Aber sie in diesem Alter zur ewigen Hölle zu verdammen, ist ein Gräuel.“
„Saphyro dürstet nicht nach Kinderblut. Und seine Beweggründe dafür, diese Kinder an sich zu binden sind nicht so schlimm, wie es dir im Augenblick erscheint. Du wirst es mit den Jahren besser verstehen.“
Lucien sagte das mit einer Wärme in der Stimme, die mir nicht gefiel.
„Es ist unmenschlich“, entfuhr es mir.
„Ja, eben. Und genau darum wirst du solche Skrupel im Laufe der Zeit ablegen, denn du bist kein Mensch mehr und musst daher auch nicht mehr menschlich handeln.“
Ich sagte nichts mehr, blickte wieder zu Saphyro hinüber. Auch er sah mich wieder an. Offensichtlich spürte er meine Abneigung gegen sein Tun, und es machte ihm Spaß, mich damit zu brüskieren. Schmeichelnd senkte er den Blick, neigte den Kopf, während er den Arm um Ramael legte, der ihn förmlich anhimmelte. Saphyro war mehr für ihn, als nur Vater der Dunkelheit. Für ihn war Saphyro sein Gott. Ein arabischer Gruß drang an mein inneres Ohr, wie ein Friedensangebot. Für einen Moment war ich versucht, dies anzunehmen und den Gruß zu erwidern, da bemerkte ich die goldene Kappe an Saphyros Zeigefinger und den Dorn an ihrem Ende als er sich jetzt mit Ramael im Arm von uns wegdrehte und das Licht einer Fackel sich in dem glänzenden Metall fing. Die Worte, die ich als Antwort bereits in meinen Gedanken geformt hatte blieben mir förmlich im Hals stecken.
„Um die Ader zu öffnen und das Blut fließen zu lassen. Er liebt solche Spielzeuge.“
Mit einem düsteren Blick bedeutete ich Lucien, dass ich lieber nichts mehr darüber hören wollte.
„Du scheinst eine gewisse Bewunderung für ihn zu empfinden“, warf ich ihm vor.
Lucien lächelte in sich hinein. „Es gab eine Zeit, da war ich sein Schatten. Was ich heute bin, verdanke ich ihm allein. Ich habe viel von ihm gelernt. Ja, ich bewundere ihn. Ihn und Ramael. Sie waren meine Lehrmeister, wenn du so willst.“
Erstaunt blickte ich ihn an. Und dann wieder Saphyro. Dass mein geliebter, weiser, mächtiger Lucien diesen androgynen Jüngling als Lehrmeister gehabt hatte, wollte mir einfach nicht in meinen Kopf. Der da sollte dieser geheimnisvolle Retter sein, der Luciens Seele geheilt hatte? Ich blickte ihm nach, wie er sich einen Platz an der Tafel suchte. Eifrig richteten zwei seiner Begleiter eine Wasserpfeife vor ihm her und reichten ihm den Schlauch. Schwacher Opiumduft schwebte zu uns herüber. Lucien riss mich aus meiner Beobachtung, indem er mich am Arm fasste und fort zog.
„Komm mit,
elby
. Ich habe gerade jemanden entdeckt, den ich dir unbedingt vorstellen möchte.“
Er führte mich durch die Menge. Göttin, ich hätte nie gedacht, dass es so viele Vampire gab. Und dies hier war nur die Spitze des Eisbergs.
„Marcus!“, rief Lucien. Ein junger Mann mit kurzen blonden Haaren drehte sich nach uns um. Als er Lucien erblickte lächelte er.
„Lucien!“
Er warf sich in seine Arme. Die Geste ließ mich instinktiv einen Schritt zurückweichen.
„Melissa“, wandte sich Lucien wieder an mich, „darf ich dir Marcus Sclerus vorstellen? Marcus, das ist Melissa. Armands Tochter.“
Das Lächeln, das er mir schenkte kam von Herzen. Er ergriff meine Hand und verbeugte sich darüber.
„Marcus ist Römer, Melissa. Ich lernte ihn in Rom kennen, als Lemain und ich dort eine Weile lebten.“
„Es ist lange her.“
„Ja, und wie ich sehe, habe ich recht behalten. Du bist wunderbar allein zurecht gekommen.“
Verwundert blickte ich von einem zum anderen. Normalerweise blieben Schöpfer und Geschöpf eine Weile zusammen nach der Wandlung. War es bei ihnen anders gewesen?
„Entschuldigt mich bitte“, sagte Marcus und senkte ergeben vor Lucien den Blick, „aber ich muss mich um Yasemin kümmern. Sie ist erst seit ein paar Wochen eine von uns und hat Angst in diesen Reihen.“
„Verständlich“, stimmte Lucien mit einem Blick auf Leonardo zu, der ebenso unsicher wie die blonde Schönheit in die Runde der Unsterblichen schaute. Lächelnd legte Lucien einen Arm und seinen Schützling, um ihn zu beruhigen.
„Markus war einer der jungen Burschen,
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