Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)
die in den Römischen Bädern Dienst taten.“
Ich brauchte nicht zu fragen, welche Art von Dienst. „Du hast wohl eine Vorliebe für solche Jungs“, entfuhr es mir.
„Solche Jungs?“
„Na ja, aus Bordellen und so.“
Lucien antwortete mit einem angenehmen Lachen, das mir schon wieder eine Gänsehaut verursachte, während Leonardo verlegen zur Seite schaute, weil auch er seinen Lebensunterhalt bislang mit seinem Körper verdient hatte.
„Nicht ganz. Aber ich gebe zu, dass ich Pascal aus einem Bordell freigekauft habe. Lemain war nie wirklich ein Lustknabe. Er verrichtete solche Dienste nur selten. Er war ein Sklave – nicht mehr und nicht weniger. Und was Marcus angeht, so diente er in einem Römischen Bad aus freiem Willen. Ich musste nicht zu seiner Rettung eilen. Er tat es gern. Er liebte es, mit Männern zusammen zu sein und war sehr gut darin. Dass er einer von uns wurde, passierte im Eifer des Gefechts. Er wusste damals ganz genau, was für ein Geschöpf ich war und legte es darauf an, von mir verwandelt zu werden.“
Ich antwortete ihm nicht. Es kam Bewegung in die Menge. Die Geschwister betraten aus unterschiedlichen Gängen den Raum. Ich erkannte Tizian sofort. Der Vampir, der mich in New Orleans das reine Blut der Zwei hatte kosten lassen. Wie damals umfing mich auch heute sofort seine Aura. Anders als bei seiner Schwester, war diese warm und sanft. In seinen Augen spiegelte sich nicht das ewige Eis, sondern das warme Meer des Südens. Er kam allein. Kaliste wurde abermals von ihren Wächtern flankiert.
„Nimm dich vor ihnen in Acht“, warnte Lucien, als er sah, wie ich sie skeptisch beäugte. „Sie reagieren oftmals schneller, als es nötig wäre. Ihr Mut und ihre Stärke sind unübertrefflich. Doch ihr Verstand lässt leider zu wünschen übrig. Nur Kalistes Befehle vermögen sie unter Kontrolle zu halten, denn sie sind ihr absolut loyal ergeben.“
„Warum hat Tizian keine Ghana … wie auch immer? Warum hat er keine Leibwache?“
„Es heißt, sie seien ein Geschenk Magotars an seine Tochter. Er gab Kaliste stets den Vorzug. Es gibt unzählige von ihnen im Reich der Dämonen. Kalistes Garde besteht insgesamt aus zehn. Allerdings sieht man selten mehr als fünf von ihnen.“
Kaliste und Tizian nahmen ihre Plätze an den Kopfenden der großen Tafel ein. Für Geschwister hielten sie erstaunlich viel Abstand. Als sich Tizians Blicke und meine streiften, gab es nicht das geringste Anzeichen eines Erkennens in seinen Augen. Aber ich hätte dieses Gesicht überall auf der Welt wiedererkannt. Ich hatte ihn nie vergessen. Ich würde ihn nie vergessen. Er wandte den Blick wieder ab und schaute abwartend zu seiner Schwester. Als alle sich einen Platz gesucht hatten, die Ältesten an der Tafel, ihre Familien im Hintergrund, erhob Kaliste das Wort.
„Vor Jahrtausenden haben wir uns schon einmal hier versammelt. Wir waren nur wenige damals. Heute sind wir ein großes Volk und über die ganze Welt verstreut. Hier, in der ewigen Dunkelheit haben wir damals Rat gehalten. Um uns alle zu schützen vor dem grausamen Fluch des Blutes, der uns alle vernichten würde. Und ich sehe heute, wie wichtig es war, dass wir damals unsere Gesetze beschlossen. Denn keiner könnte bei dieser Anzahl von Vampiren noch wissen, ob sein Gegenüber aus der gleichen Linie stammt. Unsere Sinnlichkeit, unsere Leidenschaft könnte uns zum Verhängnis werden, wenn wir die Regeln nicht befolgen. Jeder von euch kennt den Clan, zu dem er gehört, doch wer kann schon wissen, zu welchem Clan sein Gegenüber gehört. Und von wem dieser Clan abstammt. Wir haben dies vorausgesehen. Wir wussten, dass wir uns in diesem Maße vermehren würden. Und wir wussten auch, welche Gefahren darin liegen. Jahrtausendelang sind die Regeln befolgt worden. Doch nun habe ich eine Erschütterung dieser Regeln gespürt. Zwei junge Vampire haben sich darüber erhoben. Sie haben sich vereint, das Blut getauscht, obwohl sie von unterschiedlichen Clans abstammen. Sie sind das Risiko eingegangen, uns alle damit zu vernichten. Und wir sind heute hier, um zu entscheiden, wie die beiden zu strafen sind. Einst war der Tod das Urteil für den Bruch unserer Gesetze. Weil der Tod auch das Risiko eines solchen Bruches ist. Doch ich will gerecht sein und nicht vorschnell urteilen. Wir werden die Schuldigen hören und wir werden entscheiden, ob man sie nur bestraft, oder ob ein Exempel statuiert wird.“
Ihre türkisblauen Augen blickten jeden im Raum an. Einen
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