Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)
Engel erwacht aus seiner Ruhe, wenn die Glocke
Eures Turms Mitternacht verkündet. Fürchte nicht das Wasser
,
Babe. Du siehst sexy aus, wenn Dir die Kleider am Leib kleben
.
Dracon
P.S.: Und nimm Dein Serum. Sonst schaffst Du es nicht rechtzeitig
.
„Na wunderbar, er verrät uns gerade mal die Zeitzone und verspottet uns damit. Weil wir noch lange nicht wissen, wohin er diesmal will. Und wozu dient überhaupt der Schlüssel?“ Franklin fühlte sich machtlos. Er riss sich die Brille vom Kopf und warf sieauf den Tisch. Müde rieb er sich die schmerzende Stelle zwischen seinen Augen. Das Ganze zerrte immer heftiger an seinen Nerven.
„Wo geht die Sonne auf, wenn Big Ben Mitternacht schlägt?“
Franklin sah mich an, als hätte ich den Verstand verloren. Doch dann ging er in sein Büro, tippte einige Daten in seinen Computer und kehrte kurz darauf zurück.
„In etwa Bangladesh. Genauer bekomme ich es auf die Schnelle nicht heraus.“
„Dann ist der Engel in Bangladesh.“
„Selbst wenn du Recht hast, wo genau dort? Dieses Land ist riesig. Wie willst du ihn dort finden?“
„Der Schlüssel, Franklin.“
„Der Schlüssel? Was hat der Schlüssel mit Bangladesh zu tun?“
Ich schüttelte halb amüsiert, halb verzweifelt den Kopf. „Es ist eine Metapher, nichts weiter.“ Mein Vater schaute mich immer noch mit völligem Unverständnis an. Aber ich begann mir allmählich einzugestehen, dass ich eine innere Verbindung zu Dracon hatte. Ich verstand seine Nachrichten, auch wenn sie in solch rätselhafter Form waren, wie diese hier. „Es ist der Schlüssel zu seinem Herzen, den er mir symbolisch schenkt. Er will mich teilhaben lassen, an dem was er tut. Will, dass ich ein Teil von ihm bin. Darum gibt er ihn mir. Sein Herz – sein Zentrum. Und der Engel in Bangladesh ist im Zentrum von Bangladesh. Irgendwo in der Hauptstadt Dhaka.“
„Woher willst du das wissen?“
„Ich weiß es einfach.“ Beängstigend, dass ich die Gedankengänge dieses Teufels verstand. Ich ließ meinen Vater und John, der sich diskret im Hintergrund gehalten hatte, stehen und ging an den Computer, an dem Franklin noch eben nach den Zeitzonen geschaut hatte. Dort gab ich in einer Suchmaschine Dhaka ein. Ich überflog die Einträge, bis mein Blick auf dem ‚Tempel der verborgenen Göttin’ hängen blieb. Der Dhakeshwari-Tempel. Dort musste es sein.
„Mel, das ist ein öffentlicher Tempel. Dort kann sich kein Engel verstecken“, wandte Franklin ein.
„Irgendwo im Tempel ist der Eingang. Der verborgene Eingang. Wie die verborgene Göttin. Und dort verborgen ist in diesem Falle der sechste Engel der Ewigen Nacht.“
Ich nahm die Schriftrolle über die Engellegende und zeigte auf den Vers über den sechsten Engel.
Ein roter Mond auf grünem Land
Inmitten einer Stadt aus Sand
.
Zehn Arme winden zum Schutze gedacht
Sich um den sechsten Engel der Ewigen Nacht
.
Bangladesh hatte einen roten Kreis auf einer grünen Flagge. Und die zehn Arme wiesen auf die Göttin hin, der dieser Tempel geweiht war. Franklin erhob keinen weiteren Widerspruch.
Der Tempel war gut besucht. Eine Touristenattraktion eben. Ich musste mich mit Materiepartikeln vor den Blicken der Menschen verbergen. Zum Glück schränkte das Serum diese Fähigkeit nicht ein. Ich wusste genau, wo ich meine Suche beginnen würde. Direkt hinter der Statue der Göttin, da sie den Engel mit ihren zehn Armen wohl bewachen sollte. Ähnlich wie bei den Katakomben von Notre Dame, gab es auch hier eine Steinplatte mit einem Ring darauf. Ich erweiterte den Schild aus Partikeln, um auch mein Vorhaben an sich vor neugierigen Blicken zu verbergen, und hob sie an.
Unter mir tat sich endlose Schwärze auf. Keine Stufen, keine Leiter. Gar nichts. Diesmal kam ich um den freien Fall wohl nicht herum. Mutig legte ich die Arme um meinen Körper, um mich so schmal wie möglich zu machen und sprang in die Öffnung. Nach einigen Metern breitete ich die Arme wieder aus, befahl meinem Körper zu schweben, damit der Aufprall am Boden nicht allzu hart würde. Sanft wie eine Feder erreichte ich wenige Herzschläge später den Grund. Es zischte leise um mich herum. Stocksteif blieb ich stehen. Es war so finster, dass selbst meine übernatürlichen Augen nichts wahrnehmen konnten. Doch der Boden unter mir bewegte sich. Eine wogende Masse weicher, sich windender Körper, die sich aneinander und gegeneinander schoben. Etwas glitt über meinen Fuß, tastete an meinem Bein empor. Natürlich war meine
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