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Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)

Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)

Titel: Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanya Carpenter
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unterirdischer See in Sicht. Die Elfenlichter wurden von der spiegelglatten Oberfläche so stark reflektiert, dass er seine Augen abschirmen musste. Suchend wanderte sein Blick über den Uferrand, bis er schließlich an einer fleischgewordenen Lichtfee hängen blieb.
    Ihre weichen Züge erinnerten an ein Kind, aber aus ihren Rosenquarzaugen sprach zeitloses Alter. Die Weisheit ganzer Jahrhunderte. Ihre Tränen rollten wie kleine rosa Perlen über die seidigen Wangen, fielen mit einem hellen Klingeln in den See und verwandelten sich dort in flüssiges Silber. Sie spürte seine Anwesenheit, hob ihr Gesicht, umrahmt von einem Gazeschleier silbernen Haares. Als sie ihn ansah, spürte Leonardo diesen Blick tief in seinem Herzen. Mehr noch, ihr Lächeln floss wie warmer Honig in seine Seele, er empfand ein Glück, das er zuletzt während der Sommer mit seinem Großvater empfunden hatte, als er noch ein kleiner Junge war, für den die Welt nur aus Geheimnissen und schöner Zauberei bestand.
    Der weibliche Engel hob eine Hand, ihre Flügel flatterten verspielt. Doch dann weiteten sich ihre Augen plötzlich vor Entsetzen. Der Zauber zersprang wie eine Glaskugel klirrend in tausend Scherben.
    Der Moment in dem Leonardo sich umdrehte, um die Ursache des Erschreckens zu ergründen, war auch der letzte seines unsterblichen Lebens. Er hörte noch ein Fauchen, sah sanfte goldbraune Augen und glitzernde lange Fingernägel, die an einer scheinbar losgelöst im Raum schwebenden Hand auf ihn zuschossen. Den Schmerz spürte er schon nicht mehr, als sein abgetrennter Kopf von seinem Torso rutschte und sein unsterbliches Blut sich schillernd auf den Boden aus Silber ergoss, um dort in Ewigkeit zu erstarren. Sein letzter Blick glitt tief ins helle Rosé der Engelsaugen, die sich von Bedauern und Verzweiflung verschleiert über ihn beugten. Seine letzten Gedanken galten Lucien und dass er ihn enttäuscht hatte.
    *
     
    Als Saphyro mir erzählte, dass Leonardo ohne Lucien nach Gorlem Manor gekommen war, wusste ich sofort, was der junge Vampir plante. Ich wusste, er wollte sich seinem Dunklen Vater beweisen, weil Lucien ihn so übermäßig umsorgte wie ein kleines hilfloses Kind. Ich hatte die Bibliothek nur wenige Minuten verlassen, um Franklin mitzuteilen, dass ich das Rätsel gelöst hatte. Auf dem Rückweg war mir Saphyro begegnet und hatte mich davon in Kenntnis gesetzt, dass er Leonardo eine Serum-Phiole gegeben hatte.
    Meine schlimmsten Befürchtungen wurden bestätigt, als wir die Bibliothek betraten und dort nicht nur Leonardos Essenz noch spürten konnten, sondern außerdem die leere Phiole auf dem Tisch neben dem Engel-Reim stehen sahen.
    Ich beeilte mich, ihm nachzureisen. Betete im Stillen, dass Dracon erst eine der anderen Quellen aufsuchen würde. Das Serum pulste durch meine Adern, während ich im strahlenden Sonnenschein einen uralten Trampelpfad weit ab der Touristenroute beschritt. Mit jedem Herzschlag konnte ich es hören. „Zu spät, zu spät.“
    Die Höhle lag hinter dichtem Gestrüpp verborgen. Aber Leonardo hatte sie gefunden. Ich roch sein Blut, viel zu stark. Die ersten Tränen quollen aus meinen Augen, verschleierten meinen Blick. Ich stolperte über den unebenen Höhlenboden, schlug verzweifelt nach den Lichtern, die mich auf meinem Weg verwirren wollten. Endlich öffnete sich die Grotte vor mir, aber das Szenario, das sich mir am Engelteich bot, war mehr, als ich ertragen konnte. Meine Hand, die ich vor den Mund schlug, erstickte kaum den hellen Schrei aus meiner Kehle.
    Der Körper des jungen Callboys lag blutleer am Ufer. Sein abgetrennter Kopf ruhte im Schoß eines Engels, der aus den rosa Wolken eines Sonnenaufgangs entstanden schien. Er streichelte unablässig die kastanienbraunen Locken. Leonardos Gesicht war schön wie eh und je, auch im Tod. Sein Blick zeugte von Überraschung, Ungläubigkeit, nicht jedoch von Angst oder Entsetzen. Seine Lippen waren halb geöffnet, als wolle er noch etwas sagen, aber über diese Lippen würde niemals mehr ein Wort kommen. Rote Perlen fielen zu den Füßen des Engels ins Wasser, um sich dort in Blut zu verwandeln. Tränen um ein vergeudetes Leben, einen sinnlosen Verlust. Doch im ersten Moment schien es, als sei der Engel selbst noch immer rein.
    „Weil er Perlen statt Tropfen weint“, erklärte Dracon mit kalter Stimme. „Man sieht ihm kaum an, dass er schon verwandelt ist. Und welch ein Mitgefühl er doch für diesen dummen Bluttrinker hat.“
    Ohne zu überlegen

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