Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)
würde. Ein Grund mehr, die Jagd aufzugeben. Hätte mein Gewissen nicht lautstark dagegen protestiert.
„Mel, entendre, s'il te plaît. Bitte versteh. Ich habe es getan, um dich zu retten. Und dafür würde ich es wieder tun. Doch ich halte dein Serum mehr denn je für etwas Verwerfliches, von dem man besser die Finger lässt. Ich wünschte, ich hätte dir dazu geraten, es sofort wieder zu vernichten.“
Das Bittere an seinen Worten war, dass er damit recht hatte. Er hatte von Anfang an nichts Gutes darin gesehen, auch wenn er mir meinen Ausflug ins Sonnenlicht gegönnt hatte. Wenn ich seine Bedenken ernst genommen und das Serum gleich wieder zerstört hätte, dann wären wir jetzt gar nicht erst in dieser Situation.
„Würdest du mir dann einen anderen Gefallen tun?“
„Jeden.“
„Kortigu hat Ivanka und Demion mit nach Island genommen. Würdest du ihnen nachreisen und über meine Tochter wachen? Bis zum Tag der Vollstreckung?“
Ich war mir durchaus darüber im Klaren, was ich da von ihm verlangte. Ein fremder Vampir war nicht gern gesehen auf Kortigus Burg. Doch ich war mir sicher, dass er Armand nichts tun würde, wenn er dort bei Ivanka wachen wollte. Diese Gunst würde der Lord nicht verwehren.
„Wird er nicht denken, dass ich versuchen könnte, sie zu befreien?“
Ich schüttelte den Kopf. „Es ist der Wille der Königin. Dem können wir uns alle nicht widersetzen. Kortigu hat mich bei Gericht gesehen. Er weiß also, dass ich mich den Gesetzen beuge.“
Armand versprach, noch in derselben Nacht nach Island zu reisen, um dort solange nicht von Ivankas Seite zu weichen, bis das Urteil vollstreckt wurde. Ein weiterer Beweis seiner tiefen Liebe zu mir. Und zum ersten Mal fragte ich mich, ob ich diese überhaupt verdiente.
Afrika bei Nacht hatte etwas Unheimliches. Sogar für einen Untoten. Die Geräusche der wilden Tiere, die im Schutz der Dunkelheit auf der Jagd waren, genau wie wir, erschreckten mich. Ich erstarrte vor einem Rudel Hyänen, das meinen Weg kreuzte. In der Ferne vernahm ich das leise Schnauben einer Herde Elefanten. Und durch die Stille schallte der klagende Ruf eines Löwen, dem König der Steppe.
Vor dem Eingang zur Engelhöhle wartete ein Lykantrop auf mich. Ich erkannte Skarpies, einen jungen Lycanerrüden aus Eloins Rudel mit seinem rotblonden Fell sofort wieder.
„Drinnen brennen Fackeln. Wir haben uns dem Engel nicht genähert. Doch er ist unverwandelt. Die Quelle fließt klar über den Felsen, ehe sie in Spalten und Rissen im Gestein versickert.“
Ich nickte. Dennoch wollte ich mich mit eigenen Augen davon überzeugen, dass der Engel unversehrt war. Muriel und Calesto, zwei Vampire aus Saphyros Gefolge, die er erst vor einigen Jahren in Afghanistan aufgelesen und verwandelt hatte, saßen zusammen mit drei Lycanern um ein Feuer, als Skarpies mich zum Lager führte. Die beiden Kindvampire beäugten die Lycaner misstrauisch aus ihren dunklen Augen. Das schwarze Haar hatten sie zu einem dicken Zopf im Nacken geflochten. Sie waren Geschwister und Saphyro kleidete sie daher auch identisch ein, in perlbestickten weinroten Samt. Es passte so gar nicht hierher. Die Serumampullen standen neben ihnen. Ich begrüßte die beiden und die Lycaner mit einem Nicken, ehe ich mich ebenfalls ans Feuer setzte. Vor dem Morgengrauen brauchte ich nicht nach dem Engel zu sehen, da er in seiner Krypta schlief.
Mir fiel auf, dass die Lycaner sich nicht ganz einig schienen. Die beiden, die ich nicht kannte, hatten sich etwas abseits hingesetzt und knurrten dann und wann leise, aber bedrohlich. Ich sprach Skarpies darauf an.
„Sie gehören nicht zu unserem Rudel. Domeniko, der schwarze Rüde mit den stechendblauen Augen und Pharac, sein unscheinbarer grauer Gefährte, sind auf Corelus Geheiß hier. Aber sie stehen den Menschen und auch den Vampiren nicht unbedingt freundlich gegenüber.“
Das waren ja tolle Aussichten. Aber solange sie sich an Corelus’ Befehl hielten, hatten wir wohl nichts zu befürchten Domeniko war wirklich eine beeindruckende Gestalt. Sein Fell glänzte tiefschwarz, die blauen Augen waren untypisch für einen Lykantropen. Wie Skarpies mir erklärte, lag die Ursache für solche Augen, genau wie bei Corelus, darin, dass sie von reinem königlichen Blut waren. Es gab nur noch wenige wie ihn und Corelus. In Domenikos Augen hätte ihm die Herrschaft über das Volk der Lycaner zugestanden, doch der Rat der Werwölfe hatte anders entschieden und Corelus gewählt. Er strahlte
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