Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)
augenblicklich. Ihre Schönheit und Sanftmut bezauberten ihn ebenso wie ihr Mut und ihre Stärke. Sie fürchtete ihn nicht, obgleich er sie hatte wissen lassen, was ihr bevorstand. Im Gegenteil. Die dunkle Schönheit des Dämonenherrschers und sein ehrliches Herz ließen auch in Carill Liebe erblühen. Sie entschied aus freien Stücken bei ihm zu bleiben, wurde seine Gemahlin, vereinigte sich mit ihm und gebar ihm im folgenden Jahr Zwillinge, einen Sohn und eine Tochter. Beide mit einer Haut wie aus dem Licht des Mondes geschaffen. Augen blauschillernd und dunkel wie das weite Meer. Und mit seidigem schwarzen Haar, wie ein Schleier gewoben aus Nacht und Sternenlicht. Magotar war glücklich und stolz. Der Friede zwischen Atlantis und der Unterwelt hätte wieder hergestellt sein können. Doch als die junge Familie an den Hof von Carills Vater kam, um ihm seine Enkelkinder zu zeigen, schlug ihnen nur Hass entgegen. Xerxodes verfluchte Magotar, verfluchte seine eigene Tochter und verfluchte die beiden Enkelkinder.
Aber Magotars Macht war zu stark für ihn. Er schützte sich und Carill. Seine Kinder jedoch blieben nicht verschont. Sie traf der Fluch des atlantischen Herrschers. Er sollte sich an ihrem 25. Geburtstag erfüllen. Von diesem Tag an sollten die Pforten zum Reich der Unterwelt sich für immer für sie verschließen, damit sie nie wieder zu ihren Eltern zurückkehren könnten. Als
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– Kinder der Schattenwelt – sollte ihnen ein ewiges Leben in Dunkelheit geschenkt sein. Das Sonnenlicht würde ihr tödlicher Feind werden, damit sie es nie wieder erblicken könnten. Weil sie der unreinen Verbindung von lebendem und totem Blut entstammten, sollten sie auf ewig an Blut und Lust gebunden sein, das sie sich gleichermaßen von den Lebenden holen mussten, um selbst zu überleben. Zeitlebens sollte ihr Hunger danach unstillbar sein. Tod und Verdammnis würden sie damit über jeden bringen, der das Begehren in ihnen weckte. Ganz besonders über jene, denen es gelang, ihr Herz zu berühren. Denn diese würden sie mit Blut an sich binden und schließlich zu ihresgleichen machen, um der Einsamkeit zu entfliehen, die sonst ihr Schicksal wäre. Wen auch immer sie zu ihrem Kinde machten, den sollte das gleiche Los ereilen. Die Geschwister selbst würden dazu verdammt sein, einander fern zu bleiben. Damit sich ihr Blut niemals wieder verbinden durfte, so wie sich das Blut ihrer Eltern schon nie hätte verbinden dürfen.
Magotar war machtlos gegen diesen Fluch. Darum blieb ihm einzig die Wahl, Xerxodes zu zwingen, den Fluch zurückzunehmen. Er sprach einen Gegenfluch, der ganz Atlantis zerstören würde. An dem Tag, an dem sich die düstere Prophezeiung des atlantischen Herrschers erfüllte, sollte Atlantis für immer untergehen. Das Meer sollte seinen Rachen öffnen und es verschlingen. Nur, wenn Xerxodes seinen Fluch zurücknahm, dann würde auch Atlantis überleben. Magotar war sich sicher, dass er sein Reich nicht dem Untergang anheimfallen lassen würde. Doch der Stolz des Herrschers war zu stark für Atlantis. Er nahm seinen Fluch nie zurück. Als die Geschwister das 25. Lebensjahr vollendeten, erfüllten sich beide Flüche. Atlantis versank in den Fluten der Legenden. Nur Die Zwei entkamen und wurden, was wir nun für alle Ewigkeiten sind. Vampire.“
Ich war schockiert. So etwas hatte ich nicht erwartet. Also keine Geschöpfe der Natur, sondern Verfluchte.
„Wie heißen Die Zwei? Sie haben doch sicher einen Namen.“
„Kaliste und Tizian.“
Ich schluckte als ich den Namen hörte, der sich mir vor Monaten tief ins Gedächtnis gebrannt hatte. Tizian.
„Sind wir … von seinem Blut?“
„Nein, ich bin Kalistes dreizehnter Sohn. Wir sind vom Blut der Schwester. Wie kommst du darauf, dass wir aus Tizians Linie stammen?“
„Weil er sich mir gezeigt hat. Kurz vor meiner Wandlung. In der Nacht, als Dracon …“ Ich brachte es nicht über mich, davon zu sprechen. „Er ließ mich kosten von seinem Blut. Einen einzigen Tropfen. Ich habe ihn und Kaliste gesehen. Hoch über der untergehenden Insel.“
Lucien hob eine seiner fein geschwungenen Brauen. Dann lächelte er versonnen, als wäre ihm gerade etwas klar geworden, dass er ohnehin schon längst vermutet hatte.
Was er mir da erzählte, ballte sich zu einer dunklen Wolke in meinem Geist. Benommen versuchte ich, sie abzuschütteln und meine Gedanken wieder zu ordnen. Seine Worte erweckten etwas in mir, von dem ich nicht geglaubt hatte, dass es
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