Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)
Wald. Kein Problem mehr.“
Zornig funkelte ich den Mann an, der das gesagt hatte. Es hatte den Effekt, dass er mit angstgeweiteten Augen auf seinem Stuhl zusammensank. Sein Instinkt hatte mehr gesehen, als die junge Frau der Ashera. Der Dämon lauerte dicht unter der Oberfläche, wenn meine Emotionen anschwollen. Ich musste verdammt noch mal daran denken. Armand legte beschwichtigend seine Hand auf meine Schulter und erklärte den Umstehenden:
„Erstens stehen die Wölfe unter Naturschutz. Zweitens spricht doch hier jeder von Werwölfen, die das angeblich tun und nicht von Wölfen. Und drittens ist es bislang noch keineswegs erwiesen, dass tatsächlich Werwölfe für die Morde verantwortlich sind. Falls es hier überhaupt welche geben sollte. Ersparen Sie uns also bitte irgendwelchen Aberglauben. Uns interessieren nur die Fakten. Bitte bringen Sie uns zu dieser gefrorenen Leiche im See. Heute noch!“
Respekt. So höflich hätte ich mich jetzt nicht ausgedrückt.
Unwillig ergriffen Andrea, Maximilian und ein dritter Mann, den man uns als Sergej Dzalec, den Metzger, vorstellte, ihre Mäntel. Beim Hinausgehen schlossen sich uns noch vier weitere Männer an, deren Namen jedoch nicht offenbart wurden. Nicht, dass es wichtig gewesen wäre. Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen hatten sie nicht die Absicht, mit uns zu sprechen. Gemeinsam stapften wir in das eisige Schneegestöber hinaus.
Wir waren fast zwei Stunden zu Fuß unterwegs. Unsere Begleiter sagten wie erwartet nicht ein einziges Wort. Wir folgten ihnen ebenso stumm. Am See angekommen stiegen wir die steile Böschung hinunter. Die Leiche lag direkt am Ufer. Sie hatte sich in einem Ast verfangen, der ins Wasser ragte. Krähen oder andere Vögel hatten bereits die Augen und einen Teil des Gesichtes weggepickt. Kein schöner Anblick. Ich hieß die Männer, sie aus dem Wasser zu ziehen. Alle sieben bekreuzigten sich, rührten die Frau aber nicht an. Seufzend fasste Armand sich ein Herz und beförderte den nackten Leichnam allein die Böschung hinauf. Ich ignorierte unsere Begleiter weitestgehend, die sich mehr oder weniger angeekelt über die tote Frau beugten. Allerdings bemerkte ich am Rande, dass der Metzger im Gegensatz zu den anderen eine gewisse Faszination für den verstümmelten Körper zeigte. Vielleicht von Berufswegen. Andererseits gab es auch immer wieder Absonderlichkeiten der menschlichen Psyche.
„Kennt einer von Ihnen die Frau?“, fragte ich überflüssigerweise. Allgemeines Kopfschütteln. Vermutlich hätte selbst ihr Ehemann sie in diesem Zustand nicht mehr erkannt. Die DNS-Probe würde ihre Identität vielleicht lüften. „Wird jemand vermisst?“ Dann hätten wir einen Anhaltspunkt und mit etwas Glück sogar Vergleichsproben. Doch auch dies wurde verneint. Seufzend machte ich mich daran, die Leiche genauer zu untersuchen. Armand hockte sich neben mich und tat es mir gleich.
„C’est exceptionnel. Ungewöhnlich! Das sieht nicht gerade nach wilden Wölfen aus“, bemerkte er.
„Nein, das tut es tatsächlich nicht.“
Vorsichtig zog ich die Wundränder auseinander. Man hatte alle Organe fachmännisch entfernt. Ansonsten war die Frau unversehrt. Gut, vom Gesicht eben abgesehen. Jemand hatte eine gezackte Klinge verwendet, um den Torso aufzuschneiden. Wohl um die Reißzähne eines Tieres nachzuahmen. Doch es war ein einzelner Schnitt. Wäre es tatsächlich ein Tier gewesen, hätten es mehrere Risse sein müssen. Und viel ungleichmäßiger. Außerdem hätte ein Tier auch von dem Fleisch gefressen und sich nicht so präzise auf die Organe beschränkt.
In mir kam der Verdacht auf, dass ich es hier mit Organhändlern zu tun hatte, die sich die Werwolfsmythen zunutze machten. Dabei durfte ich jedoch nicht außer Acht lassen, dass es tatsächlich ein Rudel gab, von dem wir wussten. Ich musste Gewissheit haben, dass die Lycaner nichts mit den Morden zu tun hatten, obwohl es praktisch schon jetzt auf der Hand lag, und sie dann in Sicherheit bringen. So leicht würden diese einfachen Leute nicht davon zu überzeugen sein, dass es hier eher die niedere Geldgier von Menschen war, denn die Futtersuche eines Raubtieres.
Ich musterte den Metzger noch einmal eindringlich. Als er meinen Blick bemerkte, wendete er sich schnell ab und trat ein paar Schritte zur Seite. Er hatte auf jeden Fall die nötigen Grundkenntnisse von Anatomie. Auch wenn Schwein und Rind sich von Menschen unterschieden, waren auch letztere nur Säugetiere. Die Anordnung der
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