Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)
Organe nahezu identisch. Ich würde mir seine Schlachterei wohl mal etwas genauer ansehen.
*
Knurrend beobachtete er die Szenerie von seinem Posten im Unterholz. Er hielt nicht gerade große Stücke auf Lycaner, aber sie waren seiner Art näher als Menschen. Darum ärgerte es ihn, dass jemand versuchte, ihnen die Schuld zuzuschieben, um seine eigenen Verbrechen zu tarnen. Organhandel? Ein interessanter Gedanke, den Melissa da verfolgte. Aber auch daran glaubte er nicht so recht. Für ihn sah das alles nach weit niederträchtigeren Beweggründen aus. Vielleicht konnte er sich Melissas Gunst damit erschleichen, dass er sie ein bisschen auf den richtigen Weg lenkte. Ihr eine Spur legte, die sie nicht übersehen konnte. Sicher wäre sie ihm hinterher unendlich dankbar für so viel selbstlose Hilfe. Wo er gerade zufällig in der Gegend war. Das würde seinem Plan sehrgelegen kommen und ihm ihr Vertrauen viel einfacher sichern, als er ursprünglich zu hoffen gewagt hatte. Das einzige Problem bei der Sache war ihr treuer Begleiter. Den wünschte er sich möglichst ans andere Ende der Welt. Nach Lucien kam er direkt auf Platz zwei der am wenigsten erwünschten Geschöpfe auf diesem Planeten. Aber er war nun mal da. Das Beste war wohl, ihn einfach zu ignorieren.
Er musterte die Männer, in deren Begleitung sich die Vampire befanden. Las in ihren Gedanken, obwohl es nicht gerade einfach war. Sie wussten schließlich, dass die junge Frau und der unnahbare Mann von einem PSI-Orden kamen und fürchteten daher, dass sie in ihren Herzen lesen könnten. Aber im Gegensatz zu Mel, die nur einen schwachen Verdacht gegen den grobschlächtigen Mann zu hegen schien, der extrem nach Blut und Gedärmen roch, und Armand, der sich gänzlich mit irgendwelchen vagen Vermutungen zurückhielt, hatte er jemanden sehr konkret im Auge, der für die Taten in Frage kam.
Denjenigen, der sich nicht sofort abgewandt hatte, als Armand die stinkende Leiche aus dem Wasser zog, musterte er besonders lange. Er hatte so ein Glitzern in den Augen, während er den nackten ausgeweideten Körper betrachtete. Eine Gier, ähnlich einem Vampir auf der Jagd.
Seine Geduld und Gründlichkeit wurden belohnt, denn er erhaschte einen winzigen Blick auf etwas, das ihm den nötigen Hintergrund für seinen Plan lieferte. Dieser Mann war schuldig.
*
In dieser Nacht gab es nichts mehr zu tun. Außerdem war der Tag schon nah. Ich hatte das Zimmer im Gasthof dankend abgelehnt und vorgegeben, in die Ashera-Zentrale nach Bukarest zu fahren, weil wir dort noch etwas zu erledigen hätten. Wir würden vor dem Abend wieder da sein. Wenn wir länger hier blieben, musste ich mir etwas anderes überlegen, denn wir konnten ja nicht so tun, als würden wir jeden Tag nach Bukarest fahren. Am einfachsten war sicher, darauf zu bestehen, alleine zu forschen. Dann konnte sich keiner darüber wundern, dass wir tagsüber nicht auffindbar waren. Seufzend dachte ich an Pettra. Für sie wäre es in so einer Situation viel einfacher.
Mit leichtem Bedauern verschloss ich den Eingang zu einer fremden Gruft, die wir uns als Schutz und Schlafstätte für die Tage in Rumänien ausgesucht hatten. Nicht gerade gemütlich, aber ausreichend. Und wie passend, im Land unserer mythologischen Herkunft. Schließlich hatte Dracula sozusagen in der Nachbarschaft gelebt. Armand war noch nicht von der Jagd zurück. Wir hatten es vorgezogen, getrennt zu jagen. In Anbetracht der Situation hier vor Ort musste uns beiden der kleine Trunk genügen.
„Meinen Dank für eure Gastfreundschaft“, sagte ich an die vier Särge gewandt, die in gemauerten Nischen standen. Zwei Nischen waren leer. In einer davon rollte ich meine Decke aus. Hoffentlich starb nicht ein weiteres Familienmitglied während unserer Anwesenheit. Die Gesichter der Trauergemeinde wollte ich sehen, wenn sie beim Zugrabetragen des Verstorbenen dessen Platz schon besetzt fanden.
„Ja, das wäre urkomisch“, sagte Osira und rollte sich in der zweiten freien Nische zusammen. Zumindest solange, bis Armand wiederkäme.
Ich schmunzelte und setzte mich zu ihr, um sie hinter den Ohren zu kraulen. Die Sonne ging erst in einer Stunde auf. Uns blieb also noch ein wenig Zeit. Manchmal genossen wir beide dieses schlichte, entspannte Beisammensein. Ich schöpfte Kraft daraus.
„Darf ich dir eine Frage stellen, Osira?“
Sie hob ihren Kopf auf meinen Schoß und musterte mich neugierig.
„Du bist immer an meiner Seite. Vor allem, wenn mir Gefahr
Weitere Kostenlose Bücher