Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)
Offenbar wurde uns unsere Liebe nicht so recht gegönnt.
Seufzend fügte ich mich in mein Schicksal. Dann würde ich eben noch ein paar Tagesausflüge mit Pettra unternehmen, bis mein Liebster zu mir zurückkehrte.
Verheißungen
Die großen Rotorblätter des Helikopters wurden langsamer und kamen schließlich zum Stehen. Lucien wusste, wie sehr Leonardo es hasste, zu warten, bis die Maschine gesichert war. Aber er durfte nicht eher aussteigen, das hatte er ihm verboten. Sein Blick suchte ihn bereits, als er endlich aus dem Heli sprang und fand ihn schließlich auf der Balkonbrüstung. Er konnte seine Ungeduld bis hierhin spüren. Stärker denn je, seit er die Woche allein auf der Insel verbracht hatte. Inzwischen ließ er ihn jede Nacht von Andy holen. Hatte ihm versprochen, dass das Dunkle Blut ihm sicher war. Wenn er nur noch eine Weile Geduld haben würde.
Gillian nahm Leon den Mantel ab und führte ihn in die Privaträume, wo Lucien sich wieder seiner Staffelei gewidmet hatte. Zufrieden beobachtete er, wie Leons Aufmerksamkeit sich sofort ganz und gar auf ihn richtete. Heute Nacht trug er nur die weichfließenden Beduinenhosen und den Seidenumhang, der einen ausreichenden Blick auf seine glatte, muskulöse Brust gewährte. Das Verlangen, das in die Augen seines Geliebten trat, bestätigte ihm, dass er die richtige Wahl getroffen hatte. Er wies mit dem blaugefärbten Pinsel zum Ohrensessel am offenen Fenster. Lächelnd nahm Leonardo dort seinen Platz ein, die gleiche Pose, wie in den letzten drei Nächten. Langsam öffnete er die oberen Knöpfe seines schwarzen Hemdes, das mit den kurzen Ärmel seine kräftigen Oberarme betonte, schob es ein wenig auseinander, liebkoste dabei seine Kehle und seine Brust mit sehnsuchtsvollem Blick und dem Gedanken daran, dass es Luciens Hände wären, die das taten.
Er lächelte über die Phantasien seines Schützlings, tauchte den Pinsel in eine andere Farbe und zog mit geübten Bewegungen hauchfeine Linien auf der Leinwand.
„Es ist fast fertig,
elby
. Es wird deine Schönheit auf ewig festhalten. Wenn du es dir ansiehst wird es dir vorkommen, als schautest du in einen Spiegel. Dein Gesicht und das Gemälde. Zeitlos schön für alle Ewigkeit.“
Sobald er Das Blut empfangen hatte, würde es so sein. Lange wollte er ihn nicht mehr warten lassen. Aber Leon sollte vorbereitet sein. Ein Gefährte für die Ewigkeit, der den Wandel problemlos ertrug.
Für heute war es genug mit der Malerei. In den nächsten Tagen würde er es fertig stellen und zusammen mit Melissas Bild in den Thronsaal bringen lassen. Schmunzelnd fragte er sich, was die kleine Füchsin wohl dazu sagen würde, dass er sie gemalt hatte. In einem hauchfeinen Nichts aus schwarzem Chiffon, verträumt auf den Burgzinnen, von silbernem Mondlicht übergossen. Es war ein Meisterwerk. Und Leonardo stand ihr in nichts nach.
„Es erfordert viel Mut, sich den Jahrhunderten zu stellen.“ Nachdenklich reichte Lucien seinem Modell ein Glas Wein. In den letzten Wochen hatte er oft zu ihm von den Schattenseiten dieses Lebens gesprochen. Als Bluttrinker, als Nachtschwärmer. Eine Vorbereitung für Leonardos Seele. Er wollte, dass der junge Mann ohne Angst und ohne Zweifel in die Unsterblichkeit ging. Das Schicksal hatte ihn zu ihm geführt, doch die Entscheidung war wohlbedacht gefallen. In den ersten Tagen hätte es ebenso gut sein können, dass er den ewigen Schlaf in seinen Armen fand. Nun aber war sicher, dass er sich bald in ihre Reihen gesellen würde.
„Ich bin bereit, Lucien. Mehr als bereit. Ich möchte nicht mehr warten.“
Ein Kuss war alles was Lucien ihm gab, obwohl sein Gespiele nach so viel mehr hungerte. Dann setzte er sich in den anderen Sessel, nippte an seinem Wein und betrachtete Leonardo genüsslich. Das Kerzenlicht spiegelte sich in seinen ozeanblauen Augen. Er wusste, welche Wirkung sein Blick auf den jungen Mann hatte, doch dieser hielt ihm stand, erhob sich von seinem Sessel, um dem stummen Ruf seines Geliebten zu folgen. Seine Hand glitt im Vorbeigehen zu dem Damaszenerdolch, den Lucien kurz vor seinem Eintreffen so gar nicht zufällig auf dem kleinen Tisch platziert hatte. Scheinbar teilnahmslos beobachtete er, wie sein Zögling die Klinge über den eigenen Unterarm führte. Ganz so, wie er es in letzter Zeit oft bei ihm getan hatte. Doch das Blut, das aus der Wunde floss, war dunkler und zäher. Leon hatte sehr tief geschnitten, nicht nur oberflächlich die Haut geritzt.
„Hier, sieh.
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