Ruf des Blutes 3 - Dämonenring (German Edition)
den Menschen.
Aber dieser Duft. Er musste ihm nachgehen. Das verlockende Aroma frischen, heißen Blutes, das über feuchtes Kopfsteinpflaster sickert. Warum ließ jemand einen Menschen auf diese Weise ausbluten? In einer dunklen Gasse? Ein Verbrechen, kein Zweifel. Grausig und mitleidlos. Er spitzte seine feinen Ohren, ob er wohl noch ein Stöhnen, irgendeinen Schmerzenslaut hören konnte. Doch die Nacht blieb still in dieser Hinsicht. Nur die üblichen Geräusche der Londoner City. Motorenlärm der Autos und Busse, Musik aus den Clubs, der Streit eines Ehepaares, irgendwo in einer Seitengasse hatte ein Pärchen hemmungslosen Sex. Der Duft von gebratenem Fleisch und gedünstetem Gemüse wehte von einem Nobelrestaurant herüber, doch er konnte den Geruch des Blutes nicht überdecken. Ihm lief das Wasser im Maul zusammen. Er war immer noch ein Lykantrop und liebte Menschenfleisch. Auch wenn er sich seit dem Pakt daran hielt, keine Menschen zu töten. Aber die Instinkte, die Gier blieben. Und warum nicht? Wenn es eine arme vergessene Seele war, tot und dahin. Man würde es den Straßenkötern zuschieben, wenn er ein paar hastige Bissen nahm. Niemand würde es je erfahren.
Er war der Stelle jetzt ganz nah. Wie eine warme Hand streichelte die Süße des verrinnenden Lebenssaftes seine Nase, drang tief in seine Geruchsrezeptoren vor. Der Körper lag noch keine Stunde hier. So frisch waren die Spuren, die den Ort des Verbrechens umgaben. Er nahm die Essenz des Opfers auf, gleich gefolgt von der des Täters und …
Corelus stoppte mitten in der Bewegung, verharrte regungslos. Nur seine Nasenflügel bebten und sogen die merkwürdige Note tief in sich auf. Fremdartig, böse, ehrlos. Ein Knurren bildete sich in seiner Kehle. Mit steifen Bewegungen, der Körper in höchster Anspannung durch die Reize, die seine feinen Sinne überfluteten, näherte er sich dem Torso. Mit seinen ledernen Handschuhen hinterließ er keine Fingerabdrücke, als er die Leiche auf den Rücken drehte.
Entsetzt erkannte er das Gesicht, das beinah jeden Tag in lokalen Fernsehsendern und Zeitungen zu sehen war. Sir Reginald Duke of Woodward, Angehöriger des House of Lords. Und so wie es aussah, war er das Opfer eines Vampirs geworden.
Mit einem Gefühl innerer Einsamkeit schritt ich durch Londons Straßen. Leichter Nieselregen fiel, wie schon seit einigen Tagen. Er passte zu meiner Stimmung. Die schwermütige Aura, die mich umgab, ließ die Menschen instinktiv vor mir zurückweichen. Gleichmütig bahnte ich mir meinen Weg durch die Menge. Inmitten all dieser Menschen fühlte ich mich anonym. Ich bewegte mich unter jenen, zu denen ich gehört hatte, aber nie mehr gehören würde. Meine Schritte wurden langsamer, eine schwere Wehmut legte sich über mich. Düstere Melancholie, so gehasst und so geliebt, Teil meines Wesens. Mein letzter Besuch auf der Isle of Dark, bei unserem großen Lord Lucien von Memphis, hatte viel verändert. Ich war menschlich geblieben, nach meiner Wandlung durch Armand. Hatte Mitleid gehabt mit den Menschen, selten getötet und um jeden getrauert, der meinen Hunger nicht nur mit seinem Blut, sondern auch mit seinem Leben stillte. Unschuldiges Blut. Lucien hatte mich mit einer List dazu gebracht, es zu trinken. Bei einem jungen Burschen hatte ich mich noch geweigert, doch als er mir einen Priester gebracht hatte, mit einer erfundenen Geschichte über dessen angebliche Lust an kleinen Messdienern, da hatte ich mich täuschen lassen. Erst im Trinken war es in mein Bewusstsein gesickert, dass der Mann ohne Schuld war, seine einzige Sünde darin bestand, dem Lord verfallen zu sein, wie jeder andere Mensch auch, der seinen Weg kreuzte. Lucien ist einfach unwiderstehlich. Die Macht des Vampirlords strömt aus jeder Pore, seine Schönheit ist unbeschreiblich. Nachtschwarzes Haar, Augen wie das Meer, aber vor allem versteht er sich auf List und Verführung. Er hat mir mit diesem Trick damals genommen, was mir das Wertvollste war. Trotzdem bin ich ihm nicht böse. Ich sehe es jetzt … vampirischer. Die Zeit, in der ich an meiner Menschlichkeit festgehalten habe, ist vorüber. Jetzt akzeptiere ich mein Wesen mit allem, was dazugehört. Das Verführen und Umgarnen, das Töten. Nur meine Wahl treffe ich noch immer sorgsam. Versuche auch weiterhin, kein unschuldiges Blut zu trinken, obwohl es mich danach mehr dürstet als nach allem anderen. Der dunkle Dämon in mir ist stärker geworden, beherrscht mich aber nicht. Dank Luciens Lehren
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