Ruf des Blutes 4 - Unschuldsblut (German Edition)
wenn er sich davor fürchtete, dass er blieb. Doch da stand er auch schon wieder allein im Zimmer und die Vorhänge bauschten sich gespenstisch vor dem Fenster, durch das Lucien entschwunden war. Mit zittrigen Fingern berührte Franklin seine Lippen.
„Bei der Göttin, wird dieser Alptraum denn nie ein Ende nehmen?“
Bitter schmeckt so mancher Sieg
„Du hast es geschafft, Liebes“, kam Stevens Stimme leise aus der Dunkelheit.
Ich drehte den Kopf zu ihm, verharrte aber weiter in der kauernden Haltung, ähnlich der, die Jenny am Abend zuvor eingenommen hatte, als ich sie fand.
„Er hat es geschafft. Ich habe ihn nur gefunden. Aber Arante hat es geschafft. Er hat sie gerettet. Oder ihr zumindest wieder so etwas wie ein Leben geschenkt, obwohl ich gerade nicht weiß, ob der Tod nicht die bessere Wahl gewesen wäre. Sie ist so unglücklich.“
„Aber sie lebt und wenn mich nicht alles täuscht, dann fühlt sie sich ihm nahe. Möglich, dass es gar nicht so schlimm für sie ist, wie du gerade denkst. Sie muss sich erst an den neuen Zustand gewöhnen. Ging das nicht uns allen so?“
Ich seufzte. „Und er? Was ist mit ihm?“
„Verloren, wie wir alle. Jetzt ist er nicht mehr anders, als jeder von uns. Er hat die Reinheit seiner Seele für sie geopfert. Für ein Mädchen, das er nicht einmal kennt. Irgendwie auch nicht ganz gerecht, aber es war seine Entscheidung und er bedauert es nicht.“
„Arante ist für Anakahn verloren. Ich habe Anakahn das Einzige genommen, was er je geliebt hat. Den einzigen Sohn, den er je erschaffen hat. Das ist in der Tat nicht gerecht.“
Steven holte Atem, als wolle er etwas erwidern, doch dann schwieg er. Ich hatte die Wahl gehabt. Und ich hatte mich entschieden, zwei Leben zu zerstören, um eines zu retten. Und dieses war vielleicht nicht einmal mehr lebenswert.
Im Moment schien es für Jenny noch eine Hoffnung zu geben. Arante vergötterte sie. Mit etwas Glück hatten die beiden eine gemeinsame Zukunft. Ob es daran lag, dass sie die Erste war, von der er getrunken hatte, oder ob diese tiefe Verbundenheit zwischen den beiden so was wie Vorbestimmung war, wer konnte das schon sagen? Doch es sah aus, als gehörten sie zusammen. Vielleicht brachte er ihr die Freude am Leben wieder zurück.
Jenny war Ivanka jetzt so ähnlich. Und wieder kam der Schmerz hoch und verbrannte mich. Meine Ivanka. Bei ihr hatte ich versagt. Ich hätte auch sie retten können. Wenn ich nur früher … wenn ich nicht zugelassen hätte … wenn Steven damals schon …
„Scht!“, machte Steven. „Du konntest nichts tun. Niemand hätte das damals. Und vielleicht hast du es jetzt wieder gut gemacht. An Jenny.“
Ich fuhr herum und funkelte ihn an. Doch sein Blick war unendlich sanft. Er fühlte meinen Schmerz. Teilte ihn. Und so war er mit einem Mal leichter zu ertragen.
„Weißt du, Steven, ich muss ständig daran denken, dass Jenny vielleicht gar nicht gemeint war. Dass es vielleicht irgendwann ein Menschenkind gibt, bei dem Arantes Opfer viel wichtiger ist. Und dann habe ich einen großen Fehler begangen.“
Er drückte mich liebevoll. „Es war Schicksal! Es sollte so sein! Du hast nichts falsch gemacht.“
Ich genoss die Wärme seiner Umarmung, seine Fürsorge, die mir allein galt. Er stand zu mir, wie schon lange niemand mehr zu mir gestanden hatte, außer Armand und der war nicht hier.
Der Schmerz schwoll an, bei dem Gedanken, dass er mich verlassen hatte. Steven spürte es, hielt mich noch fester und war einfach da, weil ich ihn brauchte. Vielleicht hatte es etwas mit der selbstverständlichen Aufopferung zu tun, die Steven als Arzt erfüllte. Sich für andere hinzugeben, an seine Grenzen zu gehen, damit es denen gut ging, die Hilfe brauchten. Der Gedanke hatte etwas Tröstliches.
„Hast du je in Versuchung gestanden, einen sterbenden Patienten mit deinem Blut zu retten? Darüber nachgedacht, dein Blut zu nutzen, um hoffnungslose Fälle vor dem Tod zu bewahren, wenn sie dir unter den Händen wegzusterben drohen?“
Er lächelte mich seltsam an und strich mir mein Haar zurück. „Manchmal ist die Versuchung groß. Aber glaubst du, einer von ihnen wäre dankbar, wenn ich ihm das Leben rette? Zu dem Preis, den wir alle jede Nacht zahlen? Ich denke nicht.“
Die Ebene vor ihm sah nicht ganz so unfreundlich aus, was vielleicht daran lag, dass er sich nicht länger kraftlos fühlte. Doch noch immer blieb Armand auf der Hut, denn zwei der Flügelwesen trieben sich noch irgendwo
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