Ruf des Blutes 4 - Unschuldsblut (German Edition)
mich großgezogen.
„Ich bereue nichts, würde es wieder genauso machen.“
Ihre Worte schockierten mich, schließlich hatte sie meine Mutter und Tante Lilly getötet, das Haus ihrer eigenen Tochter angezündet und auch mich beinah auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Die Göttin allein wusste, was sie sonst noch an Leid und Unglück in die Welt gebracht hatte.
Sie starrte in die Flammen und schien in Gedanken weit fort. „Es ist nicht so, dass ich nicht wüsste, wer Schuld an all dem ist.“ Mit einer vagen Geste umschrieb sie ihr kleines armseliges Reich, in dem sie nun lebte. „Ich weiß durchaus, dass ich mich selbst in diese Lage gebracht habe, sogar dass mein Handeln falsch war, und dennoch kann ich nicht anders. Ich würde alles wieder tun, wenn du mich noch mal vor die Wahl stellst. Denkst du nicht auch, dass ich es damit mehr als verdiene?“
Ich setzte schon zu einer Erwiderung an, als mir plötzlich klar wurde, warum sie so sprach. Sie wollte den Tod, und sie wollte ihn schnell. Margret war alt geworden, schwach und krank. Sie hatte nichts mehr zu erwarten und ihre dunklen Kräfte gab es nicht mehr. Sie war ebenso hilflos wie hoffnungslos. Es wäre eine Gnade, dachte ich, und im nächsten Moment hielt ich sie auch schon in meinen Armen. Sie übte keine Gegenwehr, hatte sich schon vor langer Zeit aufgegeben. Und irgendwie empfand sie es wohl als eine Art von Gerechtigkeit. Sie hatte das Leben eines Vampirs und das meiner Mutter genommen. Nun kam ich – in Gestalt eines Bluttrinkers – und nahm das ihrige.
Ihr Blut schmeckte schal und verbraucht. Es wärmte mich nicht. Der Tod kam schnell, was von ihr übrig blieb, überließ ich dem Feuer, an dem wir gemeinsam gesessen hatten. Ein letztes Mal und vielleicht zum ersten Mal in beidseitiger Einigkeit. Ohne Erwartung, ohne Groll, ohne Hass, ohne Misstrauen. Einfach nur zwei Seelen, die sich kannten. Und die insgeheim wussten, dass sie Abschied nahmen. Sie hatte mir nicht mehr nach dem Leben getrachtet. Und ich hatte auch nie die Absicht gehabt, das ihre zu nehmen. Es war geschehen, weil es so sein sollte. Da war nichts Böses mehr in ihr, als ich ihre Seele nahm. Oder vielleicht, kam mir in den Sinn, hatte ich es auch einfach nicht länger gespürt, weil das Dunkel in mir selbst längst schon viel tiefer und mächtiger war, als je in ihr.
Bewegungslos hing er in den Armen der beiden Ghanagouls, die ihn fortschleiften. Es war demütigend, bei vollem Bewusstsein zu sein und doch unfähig, sich gegen diese einfältigen Bastarde zu wehren. Wie hatte er nur so leichtsinnig sein können? Allein ihr Auftauchen im Garten des Ashera-Mutterhauses hätte seine Alarmglocken läuten lassen müssen.
Er hatte keine Ahnung, wohin sie ihn brachten. Die Eishöhle am Pol war es nicht. Mel erwähnte einen Tempel im Dschungel, dem kam es schon näher, jedenfalls soweit seine Sinne ihm zutrugen, was um ihn herum geschah. Er hörte fremdartige Tierlaute und roch das saftige Grün üppiger Vegetation. Außerdem war es hier warm und feucht.
Sie erreichten ein steinernes Heim. Säulen glitten links und rechts an ihm vorbei und der Boden unter ihm glitzerte wie mit Goldstaub bedeckt. Irgendwo plätscherte Wasser in ein Becken und der ölige Geruch von Fackeln hing in der Luft.
Die Wärter stießen ihn grob in eine kleine Kammer, kümmerten sich nicht darum, dass er mit seinen gelähmten Gliedern hart aufschlug. Er biss die Zähne zusammen, wollte ihnen nicht die Genugtuung eines Schmerzlautes gönnen. Die Ghanagouls redeten leise in ihrer eigenartigen Sprache miteinander, die aus tiefen glucksenden Lauten bestand. Sie verstanden alle Sprachen dieser Welt, hieß es. Vor allem die der Königin. Doch selbst sprachen sie nie. Ihnen genügten diese Töne, um miteinander zu kommunizieren.
Lucien hätte zu gern gewusst, worüber sich die beiden unterhielten, doch gleich darauf verwünschte er sich für seine Neugier, als einer der beiden seinen Speer auf ihn richtete und ihn ein glühendheißer Stromschlag durchfuhr, der ihm sämtliche Organe zusammenzuschmelzenschien. Er krümmte sich, seine Muskeln fielen in eine Krampfstarre, doch dann spürte er, wie sich die Zellen wieder lockerten, wie Leben in seine Glieder zurück kehrte und die Nerven mehr als nur Schmerzimpulse leiteten. Mit diesem neuerlichen Blitz aus der Waffe, hatte der Ghanagoul die lähmende Wirkung aufgehoben. Nicht angenehmen, aber wenigstens wirkungsvoll.
Wenn man mehrere Stunden zur völligen
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