Ruf des Blutes 5 - Erbin der Nacht (German Edition)
Verlangen. Blue spannte sich merklich an, seine Züge versteinerten, doch er hielt Luciens Check stand. Damit stieg er in meiner Achtung und verdiente sich Respekt. Cyron erntete von dem Vampirältesten nur einen vernichtenden Blick. Wie ein lästiges Insekt, nicht einmal wert, es zu zertreten. Ich glaubte, dass man die Spannung im Raum nicht mehr auf die Spitze treiben konnte, denn schon jetzt ächzte das Mauerwerk und Gebälk unter dem Volumen von Macht und Magie. Doch als Alwynn mit Raphael und einem weiteren alten Bekannten auftauchte, bangte ich, dass alles über uns zusammenstürzen würde, weil die irdische Materie nicht länger standhielt.
Der Crawlerfürst und Lucien waren einander ebenbürtig, ihr Respekt ebenso aufrichtig wie ihre Rivalität. Doch Rafes Begleiter machte keinen Hehl aus seiner Geringschätzung meines Lords.
„Ich hätte mir denken können, dass Ihr Eure Nase ganz vorn reinstecken würdet, Lord Lucien. Gerade jetzt, wo es sich dem Ende nähert, müsst Ihr achtgeben, dass Eure Schäfchen ins Trockene kommen.“
Für den Schattenjäger, der damals der Ammit den Kopf abgeschlagen hatte – in wessen Auftrag auch immer – war die Wohnung beinah zu niedrig. Zu seinen zwei Metern Körpergröße kamen noch die Spitzen seiner Schwingen hinzu. Auch jetzt trug er wie damals einen Lendenschurz und einen Umhang, der am Rücken gespalten war, um seinen Flügeln Raum zu geben. Seine metallisch glänzende, blau-silberne Haut war keinen Tag gealtert. Das Glühen seiner Augen wirkte für den Moment noch nicht bedrohlich. Zumindest weniger als die gesamte Erscheinung des Dämonensöldners. Er strahlte für sich schon so viel Kraft und Todesgefahr aus, dass es des Schwertes an seiner Seite nicht mehr bedurft hätte.
„Zwei Dämonenjäger, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, in einem Raum“, überging Lucien die Spitze. „Menschen, Vampire, Gestaltwandler, ein Schattenjäger“, er sah Blue an, der merklich den Atem anhielt. „Wenn das nicht nach einem Komplott aussieht. Und da es sich gegen unsere Königin richten soll, mit der ich noch eine offene Rechnung habe, kann ich nicht widerstehen, mich dem anzuschließen.“
Er ließ sich von Schattenjäger nicht aus der Reserve locken. Das hätte mich auch gewundert.
„Tizian hat Angst“, sagte Raphael. „Kalistes Spione sind überall.“
„Diese Wiesel? Davon hat sie Dutzende“, schaltete sich Cyron ein und belebte meine Mordgedanken. „Ich weiß sogar, wo in London der Hauptkreuzpunkt ist. Unter dem alten Friedhof in Kensington haben sie so ein komisches Ding, das sie nutzen, um zu ihr zu gelangen. Irgendein Tor.“
„Fuck!“ Für einen Moment sah es so aus, als müsste ich mir die Finger gar nicht schmutzig machen, weil Blue dem Gestaltwandler die Kehle zudrücken wollte. „Und so was verschweigst du mir? Was weißt du sonst noch über die Tore?“ Seine Stimme hätte Lava gefrieren können.
Cyron wurde klein und blass. „Die gibt es überall auf der Welt. Kaliste nutzt sie, um ihre Helfershelfer zu koordinieren, weil sie sonst zu lange brauchen, ihr Informationen zu bringen. Die Dinger sind prima dafür. Du gehst rein, denkst an dein Ziel und schon bist du da.“
„So einfach ist das nicht“, schaltete sich Schattenjäger ein. Blue wurde immer unruhiger. Was hatte er? Obwohl ich zugeben musste, dass der Söldner keinen vertrauenerweckenden Eindruck machte. „Die Tore sind so alt wie dieWelt und haben Hüter. Außerdem sind nicht alle miteinander verbunden. Wer sie nutzen will, muss genau wissen, welches Tor und welchen Weg er nimmt. Oft führt dieser erst durch mehrere Tore zum Ziel. Und stets braucht man die Erlaubnis der Wächter, vor allem als Dämon, denn die Wächter wurden geschaffen, um zu verhindern, dass unseresgleichen die Tore zum Schaden der Menschen nutzt. Der, der die Tore erschuf, erschuf auch die Wächter, als er merkte, welche Gefahr er mit den Toren in die Welt geholt hatte.“
Cyron schnaubte abfällig. „Kaliste hat niemanden um Erlaubnis gefragt. Ihre Spione gehen ein und aus durch die Tore.“
Schattenjäger nickte langsam. „Man sagt, die Wächter sterben. Vielleicht werden manche Tore schon nicht mehr bewacht.“
„Ich will ja nicht respektlos gegenüber irgendwelchen Wächtern erscheinen, aber könnten wir bitte zum Thema kommen?“ Mein Verstand funktionierte wieder und meine Gefühle waren unter Kontrolle. „Rafe, was ist mit Tizian?“ Kaliste hatte inzwischen zweimal versucht, ihn zu
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