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Ruf Des Dschungels

Ruf Des Dschungels

Titel: Ruf Des Dschungels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kuegler
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Vorsicht geplant werden, denn ich will Zeitzeugen treffen, um ihre Berichte persönlich zu hören. Will ihnen in die Augen schauen und ihre Gefühle spüren.
    Journalisten und Vertretern von Menschenrechtsorganisationen ist es ja nach wie vor verboten, nach West-Papua einzureisen. Jeder, der sich ohne Erlaubnis auf die Insel begibt, wird auf der Stelle verhaftet und des Landes verwiesen. Das Gleiche gilt für Ausländer, die Fragen im Hinblick auf die Freiheitsbewegung oder die Verletzung der Menschenrechte stellen.
    Ein Schweizer Journalist saß zwei Wochen im Gefängnis, weil er die »falschen« Fotos geschossen hatte. Eine andere Organisation, die ihrer Besorgnis über die derzeitige Situation Ausdruck verliehen hat, wurde aufgefordert, das Land innerhalb von vierundzwanzig Stunden zu verlassen. Die indonesische Regierung geht blitzschnell und äußerst aggressiv gegen jede Person oder Gruppe vor, die sich in »interne Angelegenheiten« einmischt.
    Während ich die abendlichen Lichter beobachte, denke ich über all das nach, was noch vor mir liegt. Ein winziger Gedanke fängt an, sich zunehmend in den Vordergrund zu schieben; eine kleine Vorahnung, in welche Gefahr ich mich hier eigentlich begebe. Und wie sich herausstellen soll, werden sich die kommenden vierzehn Tage für immer in mein Gedächtnis einbrennen und mein Leben verändern, wie ich es nie für möglich gehalten hätte.
    Am nächsten Tag reisen wir ab.

[home]
12 Das große Fest zu meiner Heimkehr
    S abine, willst du uns nicht begleiten? Wir gehen flussabwärts zum Stammesgebiet der Kirikiri. Vielleicht bekommen wir dort ein Schwein für unser Willkommensfest.«
     
    Es war noch früh am Morgen. Ein weiterer endloser Tag, den ich mit seligem Nichtstun verbringen konnte, lag vor mir. Nachdem ich mich von der langen Wanderung zur Höhle von Bisa und Beisa erholt hatte, war ich zur dörflichen Routine zurückgekehrt und lebte einfach in den Tag hinein. Geist und Körper waren wieder zur Ruhe gekommen und passten sich der Endlosigkeit der Zeit an. Mehrere Tage waren vergangen, und ich merkte, dass ich mich dem Lebensrhythmus der Fayu immer mehr näherte, ich gliederte mich in ihren Alltag ein, als wäre ich nie weg gewesen. Der einzige Unterschied zu damals bestand darin, dass ich inzwischen eine Frau war und einen entsprechend höheren Status in der Gemeinschaft hatte.
    Ich saß stundenlang mit den Frauen zusammen, wir redeten und lachten und teilten Sago und Brotfrucht. Nur wenn mir jemand Kochbananen anbot, lehnte ich höflich ab oder gab sie gleich an eines der Kinder weiter. Sie waren alle von Insektenlarven befallen. Natürlich hätte ich sie einfach herauspulen können, aber die Jahre in Europa machten sich in diesem Fall eben doch bemerkbar. Ich war empfindlich geworden, was Insekten anging, egal, ob lebendig oder tot, roh oder gekocht. Die anderen Frauen amüsierten sich königlich darüber und zogen mich mit meiner Pingeligkeit auf.
    Andere westliche Angewohnheiten jedoch veränderten sich. So wusch ich mich zum Beispiel nicht mehr regelmäßig – anfangs hatte ich noch dreimal am Tag geduscht, dann zwei- und schließlich einmal, und mit jedem Mal benutzte ich weniger Shampoo und Seife. So kam es, dass Papa, als ich eines Morgens zu ihm kam, um meinen Frühstückskaffee zu trinken, amüsiert zu mir sagte: »Mensch, Sabine, du riechst wie ein Wildschwein.«
    »Dafür lassen mich jetzt die Fliegen und Moskitos in Ruhe!«, antwortete ich mit einem Lachen.
    Tatsächlich konnte ich inzwischen ganz entspannt draußen sitzen, ohne dass mich eine dichte schwarze Insektenwolke attackierte.
    Doch Papa sah auch nicht viel besser aus. Er saß da in einem T-Shirt, das mehr aus Löchern als aus Stoff bestand, und in seinen Shorts, die ich schon seit etlichen Jahren kannte. Über den Esstisch war ein Seil mit seiner frisch gewaschenen Unterwäsche gespannt, und während wir unseren Frühstückskaffee tranken, tropfte es munter auf die Tischplatte.
    Papa und ich gaben wirklich ein lustiges Paar ab. Doch wir waren rundum zufrieden, machten keine Pläne für den kommenden Tag, sondern lebten nur für den Moment. Was für eine herrliche Unbekümmertheit!
    Als Papa mich fragte, ob ich das Wildschwein für unser Fest mit ihm gemeinsam besorgen wollte, sagte ich spontan zu. Als mein Vater war er dafür verantwortlich, sich um das Essen zu kümmern, und da er selbst nicht jagen konnte (allein bei dem Gedanken muss ich laut auflachen), musste er es eben gegen etwas

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