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Ruf ins Jenseits

Ruf ins Jenseits

Titel: Ruf ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harwood
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Woche bleiben wird.»
    «Ausgezeichnet», sagte George. «Wir müssen ihn noch einmal zum Dinner einladen – und natürlich John Montague.»
    «Ja, in der Tat», sagte Edward, als Ada und ich uns einen hilflosen Blick zuwarfen. «Sicherlich wirst du mit deinem Charme Montague zur Umgänglichkeit bewegen können, Liebling.» Er hatte den anderen von Montagues Kälte ihm gegenüber erzählt. George hatte das als Neid auf Edwards Talent und seine Freiheit zu malen bewertet. Aber ich fürchtete, dass meine Ähnlichkeit mit Mr   Montagues verstorbener Ehefrau einiges zu seiner Zurückhaltung beitrug.
    «Mir wäre es deutlich lieber, wenn er nicht käme. Warum sollten wir ihn einladen, wenn er so unfreundlich zu dir war?»
    «So schlimm war es nun auch nicht», sagte Edward. «Ich möchte das Kind nicht mit dem Bade ausschütten, und außerdem würde ich eine Begegnung mit Magnus ungern versäumen.»
    Entsprechend wurde eine Einladung zum Abendessen in fünf Tagen nach Aldeburgh entsendet, was mich einmal mehr bitterlich bereuen ließ, dass ich die Visitationen je erwähnt hatte. Aber schon am nächsten Nachmittag – ich hatte mich im Schatten einer Ulme niedergelassen und versuchte, mich auf mein Buch zu konzentrieren – hörte ich das Knirschen von Hufen auf dem Kies und sah, wie Magnus Wraxford, gekleidet, als ginge er zur Jagd, am Tor abstieg. Ada und George waren nicht zu Hause, und ich wusste, dass ich aufstehen und ihn begrüßen sollte, blieb aber unbeweglich sitzen, und im nächsten Moment war er – auf dem Weg zur Eingangstür – aus meinem Blickfeld verschwunden. Als die Minuten verstrichen, ohne dass Hetty mich holte, wurde mir klar, dass er nach Edward gefragt haben musste. Ich wartete mit einiger Unruhe und rechnete damit, jeden Augenblick gerufen zu werden, bis Magnus schließlichwieder in der Tür erschien, ohne einen Blick in meine Richtung die Zufahrt entlangschritt, sich auf sein Pferd schwang und es den Hügel hinauf davontrieb.
    Das Klappern der Hufe war kaum verklungen, da erschien Edward auf dem Rasen und rannte auf mich zu.
    «Unser Glück ist gemacht!», rief er. «Hast du ihn nicht gesehen?»
    «Wen gesehen? Ich muss eingeschlafen sein.»
    «Magnus», sagte er und umschlang mich. «Er wird das Bild kaufen – für fünfzig Guineen   –, und er möchte die anderen drei, jedes für fünfzig, ungesehen! Ist das nicht wunderbar? Ich hatte dich umgehend holen wollen, aber er meinte, er könne nicht bleiben. Wir können gleich nach der Trauung deiner Schwester heiraten. Und wer weiß, vielleicht wird deine Mutter mich ja doch noch in die Familie aufnehmen, jetzt, wo ich ein vermögender Mann bin.»
    Für einen Moment schämte ich mich dafür, dass ich mich vor Magnus versteckt hatte. Aber dieses Gefühl wurde gleich durch einen wahren Sturm von Emotionen hinweggefegt. Mir wurde klar, dass ich bis zu diesem Moment nie so richtig daran geglaubt hatte, dass unser Tag kommen würde. Nun ließ ich sogar den Gedanken zu, dass Edward bezüglich meiner Mutter recht haben könnte. Wir feierten an diesem Abend mit mehreren Flaschen Champagner und sprachen bis tief in die Nacht hinein. Als ich endlich zu Bett ging, lag ich lange wach, vollkommen glücklich und aufgeregt. Erst im Morgengrauen übermannte mich der Schlaf.
     
    Möglich, dass es an dem Champagner lag oder an der für die Jahreszeit so ungewöhnlichen Hitze – jedenfalls wachte ich spät auf mit beginnenden Kopfschmerzen, die stetig zunahmen, sosehr ich auch versuchte, sie zu unterdrücken. Es war außergewöhnlich feucht. George kam aus dem Dorf zurück, wo sich niemand an ein solches Wetter erinnern konnte, Edwardbemerkte trocken, dass es in einem türkischen Bad sicher kühler wäre. Es gab nicht die leiseste Luftbewegung; die dicken grauen Wolken hingen tief und nahezu bewegungslos über uns und wurden langsam dunkler. Um drei Uhr fühlte sich mein Kopf an, als pressten stählerne Zangen meine Schläfen zusammen. Ich wusste, ich musste mich in mein Zimmer zurückziehen.
    Irgendwann ließ der Schmerz nach. Ich war in tiefem Schlaf, inmitten eines Traumes, der sofort vollkommen verschwand, als ein Blitz mich aus dem Schlaf riss, gefolgt von einem ohrenbetäubenden Donnerschlag, der das Haus bis in seine Grundmauern erschütterte. Sekunden später hörte ich den Wind rauschen, hörte, wie der Regen gegen die Fensterscheibe klatschte und wie sich Wasserfluten unten über den Kies ergossen.
    Meine Kopfschmerzen waren weitgehend verschwunden,

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